Deutschland gegen Chile Die Krieger kommen

Düsseldorf/Kasan · Chiles Team inszeniert sich gern als Böse-Buben-Truppe. Am Donnerstag trifft es beim Confed-Cup auf Weltmeister Deutschland. Für Bundestrainer Jogi Löw sind die Südamerikaner Favorit auf den Titel.

 Hände in den Hüften, das Hemd ausgezogen: So stolz präsentierte sich Arturo Vidal nach dem Sieg gegen Kamerun.

Hände in den Hüften, das Hemd ausgezogen: So stolz präsentierte sich Arturo Vidal nach dem Sieg gegen Kamerun.

Foto: dpa, HA hak

Wahrscheinlich war das so: Irgendwann im Jahr 2012 kommt Arturo Vidal zu einem Termin mit seinen chilenischen Nationalmannschaftskollegen. Der sorgsam gepflegte Irokesenschnitt ist noch ein bisschen steiler als früher. Und als er in der Kabine das Oberhemd an den Kleiderhaken hängt, enthüllt er den Mitspielern eine nahezu geschlossene Bebilderung auf dem Oberkörper. Das finden alle toll. Sie nennen Arturo, ihren Anführer, einen Krieger. Und sie wollen fast alle so sein wie er. Seine Frisur wird so stilprägend wie die Körperbemalung. Bald sehen zwei Drittel der chilenischen Nationalmannschaft so aus wie Vidal. Wenn es an Platz für neue Tattoos fehlt, schieben die Jungs bestimmt Zusatzschichten in der Mucki-Bude und vergrößern so die Ausstellungsfläche.

Richtig gefährlich sieht die Truppe aus, die am Donnerstag (20 Uhr) der zweite Gruppengegner der Deutschen beim Confed-Cup ist. Sie inszeniert sich entsprechend. Böse Blicke schickt sie dem Gegner, grimmig bejubeln ihre Torschützen die Treffer. Und unmittelbar nach dem Abpfiff wird schleunigst entblößt, was nach den Gesetzen des Jugendschutzes zumutbar ist — prima tätowierte Waden, Oberkörper, Unterarme, Halspartien und Oberschenkel erblicken das Licht der Welt. Zuletzt so geschehen nach dem 2:0-Erfolg zum Auftakt gegen Kamerun.

Löw lobt Chile in den höchsten Tönen

Die chilenischen Fußballer machen aber nicht nur durch ihr Äußeres mächtig Eindruck. "Chile", sagt Bundestrainer Joachim Löw mit Recht und voller Hochachtung, "ist eine der besten Mannschaften der Welt, eingespielt, hat fantastische Einzelspieler und ist im taktischen Bereich flexibel wie wenige andere." Seine Elf erwarte folglich im zweiten Gruppenspiel "ein ganz anderes Level" als zum Auftakt gegen Australien. Da gab es einen 3:2-Erfolg, eine sehr positive und haushoch überlegen geführte erste Halbzeit, aber auch einen kleinen Einbruch nach dem Wechsel und einige Unsicherheiten in der unzulänglichen Verwaltung der knappen Führung.

Löw führt das mit Recht auf den Mangel an Erfahrung zurück. "Für viele Spieler ist es das erste Turnier auf diesem Niveau", erklärt er. Tatsächlich ist es sicher ein Unterschied, ein knappes Ergebnis an der Seite von Philipp Lahm und Jerôme Boateng nach Hause zu spielen als plötzlich in der alleinigen Verantwortung — aller erkennbaren Begabung zum Trotz.

Chile ist alles andere als ein Team von Lehrlingen. Im Schnitt ist dieser Stamm von Kriegern aus Südamerika fast 30 Jahre alt, während es Löws Perspektivteam auf jugendliche 24 Jahre bringt — und das auch nur, weil die Routiniers Lars Stindl (28) und Sandro Wagner (29) den Schnitt deutlich heben. Chile stellt dagegen reichlich Erfahrung auf den Rasen, an Jahren und an Erfolgen. Das Team um Mittelfeldspieler Vidal (Bayern München), Stürmer Alexis Sanchez (FC Arsenal) und Torwart Claudio Bravo (Manchester City) gilt als die goldene Generation seines Landes. 2015 und 2016 gewann es die Copa America jeweils gegen das ebenfalls nicht schwach besetzte Argentinien.

Auch deshalb gehen die Südamerikaner als einer der erklärten Favoriten in diesen Confed-Cup. Dazu machen sie die individuelle Qualität ihrer Stars, die enorme Geschlossenheit im Auftritt und ein beeindruckendes Spieltempo. In den vergangenen Jahren haben sie viele hochdekorierte Gegner buchstäblich in Grund und Boden gerannt. Sie beendeten bei der Weltmeisterschaft 2014 mit einem 2:0 in der Vorrunde die Ära der großen Spanier, die von 2008 bis 2012 alles gewonnen hatten, was an Titeln zu holen war. Sie schossen Mexiko 2016 mit 7:0 vom Platz. Und sie gaben auch Löws Auswahl bemerkenswerten Anschauungsunterricht.

Als Chile Deutschland schwindelig spielte

Vor drei Jahren rannte und spielte Chile in einem Testmatch vor der WM über den Stuttgarter Rasen, dass noch heute so manchen damaligen deutschen Gegner heftige Schwindelattacken heimsuchen. Ein grotesk großzügiger Umgang mit Torchancen ermöglichte Löws Mannschaft einen 1:0-Erfolg, der mit schmeichelhaft äußerst unzureichend beschrieben wäre. Die DFB-Jungs waren ziemlich froh, dass sie diesem Gegner in Brasilien aus dem Weg gehen konnten. Chile scheiterte im Achtelfinale nach Elfmeterschießen am Ausrichter.

Die Chilenen haben im Vergleich zu 2014 nicht nur ihre Körper noch ausgiebiger beschriftet, sie sind auch noch besser geworden. Die Weltrangliste führt die verwegene Truppe auf Rang vier. Platz drei belegt die DFB-Auswahl - allerdings jene mit Manuel Neuer, Boateng, Mesut Özil und Toni Kroos. Die sind diesmal alle nicht dabei.

(pet)
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