Campo Bahia Bierhoff spürt bei der WM die positive Energie

Campo Bahia · Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist im Wohlfühl-Resort angekommen und lebt sich in Wohngemeinschaften ein.

Von Robert Peters

Alles beginnt an einem langen, ruhigen Fluss. Genauer: an seiner Mündung. Wo der Rio Joao de Tiba in den Atlantik fließt, steht eine lange Schlange von Autos. Quietschend und scharrend legt eine Fähre an, die wahrscheinlich schon bessere Tage gesehen hat. 16, 17 Autos passen auf die Fähre, die Schlange an der Uferstraße wird nur unwesentlich kürzer.

Das Warten muss sich lohnen, denn es führt kein anderer Weg in Jogis Welt. Drüben, am anderen Ufer liegt das Campo Bahia, das Wohlfühl-Resort der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Brasilien. Ein Idyll, von dessen Anblick die deutsche Delegation ungefähr so begeistert ist, wie es der portugiesische Seefahrer Pedro Alvares Cabral gewesen sein muss, als er im frühen 16. Jahrhundert der erste Europäer war, der seinen Fuß in dieses Land setzte.

T-Shirts konnte Cabral noch nicht drucken lassen. In dieser Hinsicht sind ihm die smarten Vermarkter des DFB doch ein entscheidendes Stück voraus. Sie ließen ihr Glück über den wunderbar abgeschiedenen Trainingsort auf Trikots flocken. "Feliz por estar aqui" (Wir sind glücklich, hier zu sein), steht auf der Vorderseite, "Obrigado do Bahia" (Danke an Bahia) auf der Rückseite. "Das geht als unsere Botschaft ins Land", sagt DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock, "wir fühlen uns total wohl." Er strahlt fast so wie Oliver Bierhoff, der Teammanager, der in diesem Fachgebiet allerdings unerreichbar bleibt. "Hier herrscht eine besondere Atmosphäre", erklärt der führende Öffentlichkeitsarbeiter, "wir haben schon auf der Fähre gemerkt: Das ist ein ganz neuer Reiz. Die Spieler sind in Brasilien angekommen."

Ihr Mannschaftsbus hatte dabei ein bisschen größere Schwierigkeiten. Für seine Maße ist die Fähre nicht gebaut. Die Spieler dribbelten schneller in ihre jüngste Wahlheimat. Und sie haben nach Bierhoffs maßgeblicher Auffassung auch "den Rhythmus des Landes aufgenommen". Das geschah gestern beim öffentlichen Training, das nicht nur viele der etwa 800 Einwohner aus dem nahen Dorf San André anschauten, sondern auch eine Tanzgruppe der indianischen Ur-Bevölkerung. Vor allem Thomas Müller und Bastian Schweinsteiger nahmen die kleine Einladung zum Mitmachen dankbar an.

Immerhin ging den Spielern damit sicher auf, was Sandrock als leitender Funktionär im Aufgebot bei der ersten Pressekonferenz des Teams feststellt: "Wir sind auf einem anderen Kontinent." Und auf anderen Kontinenten herrschen nun mal andere Bedingungen. "Daran werden wir uns gewöhnen müssen", versichert Trainer-Assistent Hansi Flick. Im Training werden die Spieler vor allem mit den klimatischen Bedingungen um die Mittagszeit vertraut gemacht, zu der zwei der drei Vorrunden-Begegnungen angesetzt sind. "Dann wird jeder spüren, was für Abläufe wir brauchen", glaubt Flick, "und die werden wir dann stabilisieren." Weder in Fragen der Nahrungsaufnahme noch zum richtigen Zeitpunkt der Mahlzeiten wird beim DFB dem Zufall vertraut. Der Verband ist eben nicht nur im Marketing auf der Höhe der Zeit.

Da aber besonders. Bierhoff nutzt die Gelegenheit, noch mal die "Philosophie" (drunter geht's natürlich nicht) des Beherbungskonzepts ausgiebig zu preisen. Erstmals bewohnen die Spieler und Trainer keine einzelnen Zimmer auf langen Hotelfluren, sondern sie leben in einzelnen Häusern in Wohngemeinschaften. "Es ist wichtig, dass man sich begegnet, und dass die Spieler in ihren Häusern etwas regeln müssen. Das erzeugt positive Energie", sagt er. Ob zum Regelungsbedarf das Aufstellen kreativer Abwaschpläne gehört, ist nicht in Erfahrung zu bringen. Es ist aber auch unwahrscheinlich, weil Streit über die Zuständigkeiten beim Abwaschen schon die besten Freunde in bestens funktionierenden Wohngemeinschaften auseinander gebracht hat. Das darf auf keinen Fall geschehen, denn Bierhoff "will an etwas anderes als einen Weg bis ins Finale gar nicht denken". Nicht auszumalen, wenn das Team auf dem Weg scheitert, weil sich Müller und Klose nicht einigen können, wer den Tisch abräumen muss. Das überlässt die Philosophie deshalb lieber dem Personal.

(RP)
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