Mannschaftsquartier in Südtirol komplett abgeschottet DFB-Tross bezieht Trainingslager — Neuer und Lahm fehlen

St. Martin · Nur 24 statt 26 Nationalspieler sind am Mittwoch in Südtirol zum Trainingslager vor der WM eingetroffen. Philipp Lahm und Manuel Neuer fehlten. Ob der Torwart überhaupt nach Italien reist, ist offen.

DFB-Team checkt in Südtirol ein
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Die Abschottung war schon weltmeisterlich, doch die Sorgen überlagerten den Start in die "Mission WM-Titel". Das Trainingslager in Südtirol begann mit einem Schock: In Philipp Lahm und Manuel Neuer fehlten nämlich zwei der wichtigsten Spieler, als die Fußball-Nationalmannschaft am Mittwoch um 13.21 Uhr komplett abgeschirmt von Fans und Journalisten ihr Quartier bezog.

Kapitän Lahm hat statt des zunächst diagnostizierten Blutergusses nach eigener Auskunft einen Kapselriss im Sprunggelenk erlitten und soll erst am Freitag in Passeiertal nachreisen. Der Einstieg von Stammtorhüter Neuer ist nach seiner ebenfalls im Pokalfinale am Samstag erlittenen Kapselverletzung in der Schulter sogar noch offen. Von Tag zu Tag soll entschieden werden, wann und ob der Bayern-Keeper nach Italien reist. Zudem fehlte Per Mertesacker, der zum zweiten Mal Vater geworden ist.

Sofort wurden bei vielen Beteiligten Gedanken wach an die Verletzung von "Capitano" Michael Ballack, die im Trainingslager in Sizilien 2010 die WM-Vorbereitung von Bundestrainer Joachim Löw über den Haufen geschmissen hat. Von einem WM-Aus für Lahm oder Neuer ist aktuell aber noch keine Rede. "Das bedeutet zwar ein paar Tage Pause, aber bis zur WM bin ich wieder topfit", sagte Lahm der Bild-Zeitung.

Manuel Neuer verlässt Arztpraxis mit dicker Bandage
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Zu sehen gab es am Mittwoch ohnehin nahezu nichts. Die Zufahrtsstraße zum Hotel Andreus war im Umkreis von etwa einem Kilometer abgesperrt. Die von Sicherheitskräften bewachte 5-Sterne-Residenz konnten die etwa 100 wartenden Fans, sieben Kamerateams und rund 30 Journalisten durch Zäune und Bäume gar nicht erblicken.

Als Erster fuhr Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff um 11.01 Uhr im Cabrio vor, um 12.23 Uhr konnte man Bastian Schweinsteiger durch die verdunkelte Scheibe eines schwarzen Busses mit dem WM-Motto "Bereit wie nie" erkennen. In diesem Auto hätten eigentlich wohl auch Lahm und Neuer sitzen sollen. Der mit dem Flieger angereiste Großteil der Mannschaft kam wegen eines verzögerten Abflugs in Frankfurt/Main mit rund 20 Minuten Verspätung an.

"Wir müssen vor allem an unserer Defensive arbeiten"

Hier bereitet sich Deutschland vor
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Foto: HASH(0x146bf7b8)

Lahm hatte Stunden zuvor noch die Devise für die elf Tage in Südtirol ausgegeben. "Wir müssen vor allem an unserer Defensive arbeiten. Zuletzt haben wir viel zu viele Gegentore kassiert, zu viele Großchancen zugelassen", sagte der 30-Jährige der Bild-Zeitung und stellte klar: "Ich will nicht im Halbfinale ausscheiden oder nach Brasilien fahren, um die Sonne zu genießen. Ich habe ein klares Ziel. Und das ist natürlich der größtmögliche Erfolg, also der WM-Pokal."

Wichtig ist sportlicher Erfolg in Brasilien für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) auch in wirtschaftlicher Hinsicht. "Bis zum Achtelfinale ist die WM für uns ein Verlustgeschäft", sagte Manager Bierhoff dem Wirtschaftsmagazin Capital: "Was unsere Organisation angeht, ist das die aufwendigste WM, die wir je hatten."

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Bereits zum dritten Mal bereitet sich die deutsche Nationalmannschaft in Südtirol auf eine WM vor. Nach der Premiere 1990 folgte in Italien der WM-Titel, vor vier Jahren in Südafrika zumindest Platz drei.

Nach den Erfahrungen von damals warb die Region eifrig darum, erneut die hohen Gäste empfangen zu können. In einer Broschüre berichtete der Tourismusverein Passeiertal stolz, dass sich auch "starke Konkurrenten aus Frankreich, Schweiz und Österreich um die Ausrichtung des Trainingslagers beworben haben".

Es habe durchaus auch die Überlegung gegeben, "vor der WM schon früher nach Südamerika zu gehen, erklärte derweil Bierhoff. Letztlich haben wir uns dagegen entschieden, weil die Auslosung ergeben hat, dass wir relativ spät ins Turnier starten." Man habe in Brasilien "genügend Zeit, uns zu akklimatisieren und an die Gegebenheiten vor Ort zu gewöhnen", betonte Bierhoff. Er glaube "nicht, dass es bei der WM Dinge geben wird, auf die wir komplett unvorbereitet sind".

Dies trifft auch schon auf das Trainingslager zu. Nach der Grundsatzentscheidung wurde nichts dem Zufall überlassen. Und in Südtirol wird den Gästen der Hof gemacht. Nach der Zusage des DFB quartierte das Hotel sogar Gäste aus, um die gewünschte Exklusivität zu gewähren.

Für Südtirol und das Passeiertal ist der hohe Besuch aber auch eine lohnende Sache. Eine Medienresonanz-Analyse nach dem Trainingslager 2010 ergab einen werberelevanten Wert von 11,2 Millionen Euro. "Ein gutes und vor allem Image aufwertendes Geschäft" sei dies, teilte der Tourismusverband mit. Zumal das, "was sich das Land Südtirol auf der Gegenseite diese Einladung an die gesamte Mannschaft und den DFB hat kosten lassen, nur ein Bruchteil davon ist".

Für die Vorbereitungen stellte das Land diesmal 300.000 Euro zur Verfügung, der Ort St. Martin zudem nochmal 15.000 Euro zur Verbesserung des Trainingsplatzes. Für Gäste werden Veranstaltungen angeboten mit kuriosen Namen wie "Stramme Wadl", "Das perfekte Gondel-Dinner" oder auch Steinbockfütterung.

(sid)
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