DFB-Präsident Niersbach stellt sich und will im Amt bleiben

Frankfurt/Main · Wolfgang Niersbach stellt sich. Der aufgrund der WM-Affäre unter Druck geratene Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wird am Montag an einer außerordentlichen Präsidiumssitzung in der Verbandszentrale in Frankfurt/Main teilnehmen. Das gab der DFB am Donnerstag bekannt.

Wolfgang Niersdbach: Vom Journalisten zum Macher im Weltfußball
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Das ist Wolfgang Niersbach

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Foto: dpa, Arne Dedert

Bereits am Donnerstag beantwortete Niersbach Fragen der externen Prüfer der Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Im Rahmen des mehrstündigen Gesprächs hat sich der 64-Jährige dabei unter anderem ausführlich zu den Abläufen im Bewerbungs- und Organisationskomitee der WM 2006 eingelassen.

Nach "Bild"-Informationen will Niersbach sein Amt vorerst nicht ruhen lassen. Niersbach will zunächst die Ergebnisse seiner Befragung durch die Wirtschaftskanzlei Freshfields abwarten und alle Fakten auf dem Tisch sehen, ehe er über seine Zukunft entscheiden will. Dies habe er auch bei einem Treffen des DFB-Präsidialausschusses am Donnerstag mit den Vizepräsidenten Rainer Koch und Reinhard Rauball sowie Schatzmeister Reinhard Grindel deutlich gemacht. Niersbach droht allerdings eine 90-Tage-Sperre durch den Weltverband Fifa. Seit Bekanntwerden der Vorwürfe laufe eine Vorprüfung der Ethikkommission.

Am Mittwoch war der angezählte Präsident noch auf Tauchstation gegangen. Bei der Mitarbeiterversammlung in der DFB-Zentrale fehlte Niersbach. Er überließ Generalsekretär Helmut Sandrock den Bericht über die am Dienstag durchgeführte Steuer-Razzia bei der halbstündigen Versammlung.

Denkmal Beckenbauer wackelt

Während eine Opposition gegen den DFB-Boss derzeit nicht in Sicht ist, bekommt das "Denkmal" Franz Beckenbauer immer mehr Druck auch von der Basis — und die Politik schaut tatenlos zu.

"Beckenbauer ist jetzt gefragt und muss jetzt auch einmal konkret Verantwortung übernehmen. Nur er kann alles klären, er ist ja auch der Ausgangspunkt von allem", forderte DFB-Vorstandsmitglied und Niedersachsens Verbandschef Karl Rothmund den früheren WM-Chef im Gespräch zur Preisgabe seines "Kaiser-Wissens" in der Affäre um ungeklärte Millionen-Zahlungen der WM-Organisatoren an den Weltverband Fifa auf.

Doch nicht nur Rothmund dürfte durch den aufsehenerregenden Ratschlag für den DFB zur Überprüfung etwaiger Ansprüche gegen Beckenbauer von Niersbachs Vorgänger Theo Zwanziger, der wie Niersbach und der frühere DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt von der Staatsanwaltschaft der Steuerhinterziehung beschuldigt wird, hellhörig geworden sein. Laut Zwanzigers Anwalt Hans-Jörg Metz soll die Empfehlung seines Mandanten allerdings keine Beschuldigung des Idols sein: "Keinesfalls ist damit, nicht einmal ansatzweise, behauptet, das Geld befinde sich bei Beckenbauer", sagte Metz der "Bild". Dennoch: Durch Zwanzigers Anregung ist das Thema in der Welt.

Tatsächlich jedoch beruhen alle bisherigen Annahmen zum mutmaßlichen Darlehen des früheren adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus von 2002 als Ursprung der ominösen Finanztransaktionen auf angeblichen Schilderungen. Nachweise dazu liegen anders als bei der OK-Überweisung von 2005 nicht vor.

Niersbach setzt unterdessen offenbar auf eine Entkräftung der staatsanwaltlichen Vorwürfe wegen Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall. Informationen der Süddeutschen Zeitung zufolge jedenfalls ist der angezählte Verbandschef auch nur ins Visier der Finanzbehörden geraten, weil er 2007 wenige Tage nach seiner Ernennung zum DFB-Generalsekretär die von seinen früheren OK-Kollegen Zwanziger und Schmidt erstellte und danach zweifach testierte Steuererklärung als verantwortlicher Amtsträger unterzeichnet hat. Laut "kicker" soll die Steuererklärung bereits neun Monate zuvor durch die Wirtschaftsprüfer der Dr. Schmitz-Hüser WWS GmbH in Aachen testiert worden sein. Niersbach unterschrieb das umfangreiche Zahlenwerk im Vertrauen auf die Arbeit Schmidts und Zwanzigers angeblich ohne weitere Prüfungsmaßnahmen.

Rothmund hält denn auch zumindest vorerst einen Rücktritt des DFB-Chefs oder auch nur eine vorübergehende Niederlegung seines Amtes für unangebracht. "Die DFB-Führung steht tatsächlich geschlossen und uneingeschränkt hinter Wolfgang Niersbach. Wenn er auch nur sein Amt ruhen ließe, gingen doch sofort Spekulationen wieder los, und es würde eine heftige Nachfolgediskussion einsetzen."

Wenig Interesse an Informationen aus erster Hand herrscht offenbar im Deutschen Bundestag. "Bislang hat keine Fraktion des Bundestages bei mir beantragt, Herrn Beckenbauer einzuladen", sagte die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag (SPD) am Donnerstag. Auch für eine Befragung des früheren WM-Botschafters Günter Netzer, der zur Affäre möglicherweise auch Erhellendes beitragen könnte, liegt demnach noch kein Antrag aus den Fraktionen vor. Ohne Aufforderung zur Einladung kann Freitag jedoch nicht handeln.

"Wir bleiben an der Sache dran. Noch ist nichts aufgeklärt. Auch Günter Netzer, Franz Beckenbauer, Otto Schily, Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger müssen gehört werden", sagte Ausschuss-Mitglied Özcan Mutlu, sportpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Die Bundesregierung hält sich zur Eskalation in der WM-Affäre bedeckt. Fragen zur Einleitung staatsanwaltlicher Ermittlungen zur ungeklärten Millionenzahlung des Organisationskomitees der Fußball-WM 2006 an den Weltverband Fifa "betreffen nicht die Politik der Bundesregierung", teilte ein Regierungssprecher mit: "Das Bundespresseamt nimmt daher zu diesen Fragen keine Stellung."

(seeg/sid)
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