Kritik zum Kinofilm "Die Mannschaft" Die bescheidenen Jungs vom Campo Bahia

Düsseldorf · Morgen kommt der Dokumentarfilm "Die Mannschaft" in die Kinos. Er erzählt die Geschichte des WM-Triumphs aus der Sicht des Teams. Seine Botschaft an die Fans in Deutschland: "Diese Spieler sind wie ihr."

"Die Mannschaft": Weltmeister sehen Film-Premiere mit Spielerfrauen
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Weltmeister sehen Premiere des WM-Films mit Spielerfrauen

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Foto: afp, ej

Am Anfang steht, was bis jetzt nicht mal die begriffen haben, die dabei waren: Deutschlands 7:1 über Brasilien im Halbfinale der WM. Mit den sieben Treffern, dem Blick in die ungläubigen Gesichter, dem fast leisen, zurückgenommenen Jubel auf dem Rasen von Belo Horizonte. So beginnt der Dokumentarfilm "Die Mannschaft", der morgen in die Kinos kommt.

Er erzählt die Geschichte des vierten Weltmeistertitels für die DFB-Auswahl aus der Perspektive des Teams, er nimmt Partei. Deshalb darf Verbands-Manager Oliver Bierhoff das Teamquartier "Campo Bahia" noch mal als den perfekten Ort preisen. Der Blick in die Herberge zeigt eine Sechs-Sterne-Wellness-Oase, in der 23 Fußballspieler Aktivurlaub machen. Ob sie das Idyll immer bemerkt haben, bleibt sogar bei der näheren Betrachtung der späteren Weltmeister offen. Der Blick des Fußballers von 2014 ruht häufiger auf dem Handy als auf der Landschaft. Immerhin wird er dabei nicht gestört. Genug Idylle also.

Für die schönen Bilder nimmt sich die Kamera Zeit. Sie ist selbstverständlich dabei, wenn Bundestrainer Joachim Löw barfuß am Meeressaum in die Morgenröte joggt. Und sie erwischt einige nachdenkliche Momente. Zum Beispiel auf der ersten Fährfahrt über den Rio Joao de Tiba, der zwischen dem Jogiland und der brasilianischen Urlaubsregion Porto Seguro liegt. In einer feinen Mischung von Besinnlichkeit und der auf der Stirn klebenden Frage: "Was soll jetzt das?" blicken 23 leicht verstörte Profis aufs Wasser, auf den Dschungel und die Fischerboote von Cabrália.

Angenehm rieselnde Hintergrundmusik allerdings nimmt alle Sorgen. Man soll ahnen, warum die Deutschen am Ende die beste Mannschaft haben. Sie haben nämlich vielleicht nicht die besten Einzelspieler der Welt, obwohl selbst darüber gestritten werden kann, sie haben auf jeden Fall den besten Teamgeist und das mit Abstand beste Quartier. Niemand muss sich auf langen Hotelfluren langweilen, und kein Stadtlärm vermiest die Laune. Den ganzen Film über sieht niemand eine verärgerte Miene.

Und weil alle so entspannt sind, begegnen sie zwanglos der brasilianischen Freundlichkeit. Wenn Lukas Podolski mit Kindern in der Schule spricht, ist er ganz der nette Kerl von nebenan. Dafür muss er keinen Schauspielunterricht nehmen. Und Bastian Schweinsteiger ist nicht nur auf dem Rasen die Führungsfigur, er gibt auch als Tänzer mit den Patáxo-Indianern eine gute Figur ab. Diese Achtung vor dem Gastgeberland ist echt, obwohl die Kamera bei der Begegnung nicht zufällig läuft. Die Hauptdarsteller Podolski und Schweinsteiger sind glaubwürdig, wie schon beim Sommermärchen von Sönke Wortmann 2006 sind sie die Stars des Films, auch wenn Podolski beim Turnier kaum gespielt hat. Der dritte große Star ist der unvergleichlich wahre Thomas Müller.

Die Bilder unterstreichen, was Löw über seine Mannschaft nach dem 7:1 über Brasilien sagt: "Sie ist respektvoll mit dem Gegner und den Gastgebern umgegangen, sie hat Demut bewiesen." Dieser Aspekt der gelebten Bescheidenheit ist das Zentrum des Films. Denn so sieht sich der Weltmeister am liebsten. Und es sind DFB-Leute, die den Film gemacht haben. Manchmal kippt der Streifen deshalb in Kitsch ab, in Jubelarie oder Hochglanz-Heldenverehrung. Dennoch bleibt die kleine Schweinsteiger-Passion im Finale, das er nach zahlreichen Fouls der Argentinier mit einer am Spielfeldrand versorgten Platzwunde beendet, nur eine Episode.

Am emotionalsten wird der Film bei den Titelfeiern auf dem Rasen. Die Handkamera hüpft mit im Glücksgetümmel, und vergessen sind die aufgepumpten Geräusche bei Torschüssen oder Zweikämpfen, die viel von der Ästhetik der Videoclip-Industrie haben. Das finden Sportdokumentarfilmer offenbar besonders realistisch. Es gibt dem Geschehen auf dem Rasen etwas Gladiatorenhaftes, auch etwas Künstliches von der Spielekonsole.

Es geht aber auch wie beim Amateurfilm der Kreisliga-Meisterfeier. Als die Helden von Rio im Bus auf dem Weg zum Teamhotel sind, singen sie die Lieder, mit denen schon ihre Großväter Turniersiege im Amateurfußball gefeiert haben. Die Botschaft an die Fans lautet: Die sind wie ihr. Vielleicht wollen sie das manchmal auch gern sein. Diese Geschichte erzählt "Die Mannschaft". Und wer nur den Film hernimmt, der glaubt das auch.

"Die Mannschaft" von Martin Christ, Jens Gronheid und Ulrich Voigt kommt am Donnerstag in die Kinos.

(RP)
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