Kapitän räumt vor der Abwehr auf Löw braucht Lahm im Mittelfeld

Santo Andre · Der Bundestrainer setzt in der Abwehr auf die vier Innenverteidiger Boateng, Mertesacker, Hummels und Höwedes. Sein Kapitän übernimmt gegen Portugal einen Part vor dieser Linie.

WM 2014: Joachim Löws Team trainiert in der Mittagshitze
25 Bilder

DFB-Team trainiert in der Mittagshitze

25 Bilder
Foto: ap, MS

Wenn es Tag wird in Santo Andre, dann hat Joachim Löw den Strand für sich. Während so langsam Leben einkehrt in die Häuser des deutschen WM-Quartiers, joggt der Bundestrainer am Atlantikufer. Den Beruf hat er derweil im Zimmer gelassen. Das versichert er zumindest. "Ich mach ein bisschen Sport, das tut mir gut, an Cristiano Ronaldo denke ich dann nicht." Nachher schon. Das hat er natürlich auch eingeräumt. "Wir beschäftigen uns immer mehr mit unserem ersten Gegner Portugal", erklärt er.

Eine wesentliche Erkenntnis hat er seinem Team schon mit auf den Trainingsweg gegeben: "Die Portugiesen sind die Weltmeister im Konter, selbst ohne Ronaldo." Das habe ihm "auch der Urs" bestätigt. Der heißt mit Nachnamen Siegenthaler, ist der Chefscout des Deutschen Fußball-Bundes und ein ganz wichtiger Ratgeber des obersten Übungsleiters der Nation.

Brasilien gewinnt Auftaktspiel gegen Kroatien: Pressestimmen
73 Bilder

Brasilien - Kroatien: Pressestimmen zum Eröffnungsspiel

73 Bilder

Es muss sich also niemand wundern, dass Löw diesem Gegner mit weitaus größerer Vorsicht begegnet als beispielsweise den Färöern in der Qualifikation. Und es ist nun gar keine taktische Sensation mehr, dass der Bundestrainer für das Auftaktspiel ganz offensichtlich mit einer Vierer-Abwehrkette aus gelernten Innenverteidigern (Jerome Boateng, Per Mertesacker, Mats Hummels, Benedikt Höwedes) plant. Das hat drei Gründe: Zum einen ist das so eine Sache mit gelernten Außenverteidigern im Geltungsbereich des DFB. Zum zweiten "ist es vielleicht gar nicht nötig, mit den Außenverteidigern so hoch zu stehen wie gegen unsere extrem defensiven Gegner in der Qualifikation", wie Löw erklärt. Und zum dritten, das ist wahrscheinlich von größter Bedeutung, "haben alle Innenverteidiger ein bisschen die gelernte Verantwortung, das Zentrum zuzumachen". Absicherung gehört also zur genetischen Grundausstattung der Gattung Innenverteidiger. Und weil Portugal gern durch die Zwischenräume angreift, gehört diese genetische Grundausstattung auf jeden Fall auf den Platz.

In Philipp Lahms fußballerischer Grundausbildung hat Sicherheitsdenken ebenso wie die strategische Spielentwicklung eine bedeutende Rolle gespielt. Deshalb hat er sich in jüngerer Vergangenheit sehr vornehm beim Bundestrainer um die Rolle beworben, die ihn im Klub bei Bayern München Pep Guardiola schon lange erfolgreich angetragen hat: Lahm will im Mittelfeld auf der sogenannten Sechs spielen. Das hat er mehrfach und in bemerkenswerter Lautstärke betont. Und Löw scheint entschlossen, der Bitte des Mannes, der seine Karriere in ein paar Jahren beim FC Bayern beenden wird, zu folgen. "Der Philipp hat gegen Armenien im Mittelfeld angefangen. Ich bin ziemlich sicher, dass das die Lösung für Montag ist", sagt Joachim Löw.

Brasilien - Kroatien: Fakten
Infos

Brasilien - Kroatien: Fakten

Infos
Foto: dpa, sam

In der Startaufstellung dürfte deshalb kein Platz für Bastian Schweinsteiger sein, was nun auch nicht so überraschend kommt nach den Eindrücken der zurückliegenden Testspiele. Löw hat sich aber ein besonders nettes Mittel gegen den drohenden Unmut ausgedacht, der Stars auf der Bank so häufig ereilt. Er umdribbelt einfach das Problem des Stammplatzes. "Diese klimatischen Bedingungen erfordern eine andere Sicht auf die Dinge", stellt der Coach fest, "wir haben hier 23 WM-Teilnehmer, keine Stammspieler." Und dann wird's sogar ein wenig militärisch: "Alle müssen in größter Alarmbereitschaft sein. Elf beginnen, den Gegner so zu bearbeiten, dass wir eine gute Ausgangsposition haben. In der zweiten Halbzeit beginnt vielleicht eine zweite Phase, die Einwechselspieler müssen der Mannschaft neue Energie und neue Impulse geben. Im Zweifelsfall machen sie den Unterschied aus." Darum nennt er seine Bankhalter "Spezialkräfte."

Der Platz in der ersten Reihe am Spielfeldrand sei folglich "keine Bestrafung". Diese Einsicht verlangt er von seinen Akteuren, die selbstredend alle auf einen Einsatz am Montag in der Mittagshitze von Salvador brennen. Und er selbst schätzt sich glücklich, entscheiden zu können, "wer in der jeweiligen Situation am effektivsten ist, denn ich habe eine Auswahl an hervorragenden Spielern". Zu denen gehören nach allgemeiner Einschätzung die Spezialkräfte aus der Truppe der Offensivspieler.

Löw bezeichnet kurzerhand alle als Stürmer, die sich vornehmlich in den vorderen Bereichen aufhalten sollen. Zum Mittelstürmer Miroslav Klose gesellen sich so Lukas Podolski, André Schürrle, Thomas Müller, aber auch Mario Götze, Julian Draxler und Mesut Özil. Deren Aufgabe hat der Bundestrainer ziemlich schnell beschrieben: "Sie sollen Tore machen."

So einfach ist das manchmal - wenn der Ball noch nicht im Spiel ist.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort