DFB-Elf glänzt in allen Belangen 7:1 - Resultat perfekter Organisation

Santo André · Vielleicht muss eine alte Fußball-Weisheit ein bisschen entstaubt werden. Sie lautet: "Der Angriff gewinnt Spiele, die Abwehr gewinnt Titel." Sie stammt aus einer Zeit, als Arbeitsteilung auf dem Platz noch das Wesen jedes Systems war. Heute stürmen gelegentlich sogar die Torhüter mit – bestes Beispiel Manuel Neuer – und arbeiten die Jungs aus der vorderen Linie als erste Defensivkräfte ihrer Mannschaften. Im Theorie-Neudeutsch müsste es also heißen: "Mit dem richtigen Offensivverhalten gewinnt man Spiele, mit dem richtigen Defensivverhalten gewinnt man Titel."

Deutschlands 7:1 gegen Brasilien: Rekorde und Bestmarken
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Vielleicht muss eine alte Fußball-Weisheit ein bisschen entstaubt werden. Sie lautet: "Der Angriff gewinnt Spiele, die Abwehr gewinnt Titel." Sie stammt aus einer Zeit, als Arbeitsteilung auf dem Platz noch das Wesen jedes Systems war. Heute stürmen gelegentlich sogar die Torhüter mit — bestes Beispiel Manuel Neuer — und arbeiten die Jungs aus der vorderen Linie als erste Defensivkräfte ihrer Mannschaften. Im Theorie-Neudeutsch müsste es also heißen: "Mit dem richtigen Offensivverhalten gewinnt man Spiele, mit dem richtigen Defensivverhalten gewinnt man Titel."

Joachim Löws Nationalmannschaft ist auf einem guten Weg dahin, weil sie rechtzeitig zur Ausgewogenheit, zur gern zitierten Kompaktheit gefunden hat. Im WM-Viertelfinale gegen Frankreich schickte Löw zum ersten Mal seine Formation im 4-2-3-1 aufs Feld. Sie schloss den Franzosen die Räume, kam selbst gut in den Angriff und gewann ein sehr enges, ausgeglichenes Spiel bestimmt nicht unverdient mit 1:0.

Alle WM-Treffer von Miroslav Klose
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Gegen Brasilien im Halbfinale erlebte die Mannschaft auch wegen ihrer taktischen Überlegenheit beim 7:1-Erfolg eine Fußball-Sternstunde. Sie verteidigte gegen jeden Ansatz brasilianischer Aufbauversuche über den ganzen Platz mit eindrucksvollem Selbstbewusstsein, großem Laufaufwand und ausgeprägter mannschaftlicher Geschlossenheit.

Und sie zauberte sich durch die Freiräume, weil sie nie die ganz weiten Wege gehen musste und deshalb in ihren Aktionen ein ungeheures Tempo vorlegen konnte - viel zu schnell für die Brasilianer, die überhaupt keinen fußballerischen Entwurf verfolgten, vielleicht keinen verfolgen konnten, weil die Deutschen so stark waren. "Sie haben uns einen fantastischen Rhythmus aufgedrängt", sagte Löws Kollege Felipe Scolari.

Maßgeblich dafür war zum einen das Spielsystem, in dem bei derart perfekter Anwendung wie im Halbfinale die Abstände zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen so klein bleiben, dass es sich fast schon um ein fußballerisches Wesen aus elf Einzelteilen handelt. Zum anderen die taktische Klasse der Mittelfeldspieler. Toni Kroos führte mit der Eleganz von Spielmachern längst vergangener Zeiten Regie, er schlug serienweise Zuckerpässe. Und aus der Tiefe des Raumes, aus der einst Günter Netzer vom Fußballplatz direkt in die schlauen Abhandlungen der Feuilletons stieß, organisierten Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira das deutsche Spiel.

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Ihre doch noch rechtzeitige Genesung gab Löw erst die Möglichkeit, zum erfolgreichen System der Vor-WM-Zeit zurückzukehren. Ob ihm dieser neuerliche Wechsel des Spielmodells angetragen wurde, oder ob er ihn aus tieferer Überzeugung vollzogen hat, ist dabei ziemlich gleichgültig. Es zählt, wie am Ende des Spiels, das Ergebnis. Und das sah so aus: Schweinsteiger übernahm den defensiven Part, ließ sich im Aufbau manchmal hinter die Verteidiger fallen und entzog sich so dem Zugriff der Brasilianer. Khedira war auf dem ganzen Platz unterwegs und ging immer wieder weit in die Spitze.

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Sein Tor, seine Beteiligung an weiteren Treffern waren Ausdruck dieses Spiels. Sein Trainer geriet folgerichtig ins Schwärmen. "Er hat sich wahnsinnig gesteigert im Turnier", sagte Löw, "die Spielpause am Anfang war notwendig. Diese Dynamik, diese Präsenz, das sind seine großen Stärken. Das ist ein Problem für jede Mannschaft." Zusammen mit Schweinsteiger machte er die Mitte zur gegnerfreien Zone. Das war der Schlüssel zu einem Triumph für die DFB-Chronik. Und es kann der Schlüssel zum Titel sein.

(RP)
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