Deutschland diskutiert Pro und kontra Kevin Kuranyi

Düsseldorf (RP). Muss Bundestrainer Joachim Löw den derzeit treffsichersten deutschen Stürmer mit zur WM nehmen? Mit seinen Saisontoren 16 und 17 übernahm Kevin Kuranyi nicht nur die Führung in der Torjägerliste vom Leverkusener Stefan Kießling, er befeuerte einmal mehr die Diskussion um eine mögliche Rückkehr in die Nationalmannschaft.

Seine Flucht nach dem WM-Qualifikationsspiel gegen Russland im Oktober 2008 hatte ihn ins Abseits befördert. Löw schmiss ihn raus, das Kapitel Nationalelf war damit eigentlich geschlossen. Doch nun liefert der 28-Jährige Woche für Woche starke Argumente für eine Begnadigung.

Ganz Deutschland diskutiert. In unserer Abstimmung sprechen sich über 70 Prozent der Leser dafür aus, dass Kuranyi mit zur WM muss. Immer mehr Experten (Schalke Trainer Felix magath, Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer und sogar Leverkusens Trainer Jupp Heynckes) raten Löw zum Umdenken. Auch in unserer Redaktion wird heftig diskutiert. Friedhelm Körner und Christian Kurth sind pro und kontra Kevin Kuranyi.

Pro Kuranyi von Friedhelm Körner

Mit jedem Tor, das Kevin Kuranyi in der Fußball-Bundesliga erzielt, bringt er Schalke 04 dem Meistertitel näher. Und mit jedem Tor wächst der Druck auf Joachim Löw, den 28-Jährigen vor der WM zurückzuholen in den Kreis der Nationalmannschaft. Nach rein sportlichen Kriterien hat der Bundestrainer keine andere Wahl. Denn Kuranyi ist gegenwärtig der erfolgreichste deutsche Stürmer in der Liga. Er spielt konstant auf hohem Niveau, und nur der Leverkusener Stefan Kießling ist ähnlich torgefährlich. Miroslav Klose und Lukas Podolski dagegen sind nur noch Schatten ihrer selbst.

Löw und Kuranyi hätten sich schon ausgetauscht, berichtet Schalkes Trainer Felix Magath von einem, wie er glaubt, zufälligen Treffen. War das Gespräch tatsächlich ein erstes Anzeichen für ein bevorstehendes Comeback im Nationalteam? Löw muss für die Weltmeisterschaft das in seinen Augen stärkste Aufgebot nominieren. Es ist seine vordringlichste Aufgabe. Und deshalb würde er auch nicht sein Gesicht verlieren, wenn er dem in Topform aufspielenden Schalker eine zweite Chance gibt, denn die hat Kuranyi sich verdient.

Außerdem würde sich der DFB-Chefcoach nicht dem Vorwurf aussetzen, dass er bei Kuranyi und Podolski mit zweierlei Maß misst, den Gelsenkirchener ein für alle Mal ausschließt und an dem Kölner trotz dessen spektakulärer Backpfeife für Kapitän Michael Ballack beim Länderspiel in Wales festhält. Dies auch noch in einer Saison, in der Podolski krass enttäuscht und in seiner aktuellen Form einfach keinen Platz im DFB-Kader für Südafrika verdient hat.

Kontra Kuranyi von Christian Kurth

Die Sache ist ganz einfach. Es ist völlig egal, wie viele Tore Kuranyi noch schießt oder auch nicht. Er hat ein Team im Stich gelassen. Er hat Deutschland im Stich gelassen. Nicht bei irgend einem Benefizspiel, sondern im wichtigen EM-Qualifikationsspiel gegen Russland.

Er hat es theatralisch gemacht, bockig wie ein kleines Kind. Er hat das Stadion verlassen und keinem bescheid gesagt. Untragbar! Löw schmiss ihn zurecht raus, und es kann keinen Grund geben, diese Entscheidung rückgängig zu machen.

Kuranyis Fehlverhalten im Oktober 2008 ist weder verjährt noch als einmaliger Ausrutscher zu entschuldigen. Kuranyi war alt genug, er wusste, was er tat. Die Konsequenzen seines Handelns konnte er leicht abschätzen.

Kuranyi wegen fehlender Alternativen zurückzuholen, würde einem Offenbarungseid gleichkommen. Bloß weil keiner mehr da ist, nimmt man einen Abtrünnigen mit? Da wird Joachim Löw hoffentlich noch Besseres einfallen.

Kevin Kuranyi trug einmal die DFB-Kapitänsbinde. Er bestritt 52 Länderspiele (19 Tore). Die Partie am 6. September 2008 in Liechtenstein sollte die letzte für Deutschland gewesen sein.

(RP)
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