Löws Schaltstation Taktgeber Toni Kroos: Deutsche Delikatesse

Düsseldorf · Toni Kroos hob den Kopf. Ein kurzer Blick in die Spitze. Eine scharfe Hereingabe, die jedoch bei Portugals Bruno Alves landete: Es war bei der 4:0-Gala im WM-Auftaktspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Portugal einer von zwei Fehlpässen des Mittelfeldmannes in der gegnerischen Hälfte.

 Toni Kroos zeigte gegen Portugal eine sehr starke Leistung.

Toni Kroos zeigte gegen Portugal eine sehr starke Leistung.

Foto: afp, Desk

Die Ironie der Geschichte: Es war ausgerechnet die Szene, in der der dreifache Torschütze Thomas Müller Alves' Rettungsversuch blockte und auf seine unnachahmlich unorthodoxe Art das 3:0 erzielte. Neben Müllers Treffer bereitete Kroos per Ecke auch das 2:0 durch Mats Hummels vor.

Kroos gegen die Portugiesen in Zahlen: 79 Pässe spielte er insgesamt, 76 brachte er an den eigenen Mann. Eine unfassbare Quote von 96 Prozent. Philipp Lahm (94), Sami Khedira (92), Mario Götze (91) und Mesut Özil (92) standen Kroos fast in nichts nach. Klar: Die DFB-Auswahl spielte gegen Cristiano Ronaldo und Co. nach der Roten Karte gegen Pepe knapp 50 Minuten in Überzahl. Von ähnlichen Passquoten können die meisten anderen WM-Teilnehmer allerdings derzeit nur träumen.

Entscheidende Schaltstation

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Kroos hat dabei seine Rolle als Regisseur nochmals untermauert. Für Joachim Löws flexibles System, mal ein 4-1-2-2-1, mal ein 4-1-4-1, ist die Mittelfeldzentrale die entscheidende Schaltstation. Lahm spielte gegen Portugal den defensiven Part als "Sechser", Kroos und Khedira unterstützten den Kapitän und gaben dem deutschen Spiel gleichzeitig in der Offensive gemeinsam mit Özil auf rechts und Götze auf links die Impulse.

Den Taktstock schwingt dabei vor allem Kroos, über den gegen die Portugiesen fast alles lief. Er dirigierte das deutsche Spiel. Beteiligte sich am Pressing, einer Disziplin, die ihm in der Vergangeheit nicht immer lag. Trieb im richtigen Moment an. Nahm zur passenden Zeit das Tempo heraus. Nach Kroos richtete sich der Rhythmus. Auch unter Druck und gegen mehrere Gegenspieler machte er fast keinen Fehler.

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Sein einziges "Problem": Die Bewertung in der Öffentlichkeit verläuft bei dem Bayern-Star schon mal asynchron zur eigentlichen Leistung. Sprich: Die Bedeutung des Ballverteilers geht unter, da er passend zur Rolle des Regisseurs vor allem seine Teamkollegen in Szene setzt und oft den entscheidenden Pass zur Torvorlage gibt.

"Acht" und "Zehn" zusammen

Er selbst spielt für das bloße Auge bisweilen unspektakulär, aber immer präzise und effektiv. Filigran, mit Geschick im Fuß, mit einer Leichtigkeit und brillanten Ballbehandlung versehen, die früher die "Acht" und die "Zehn" auf sich vereinten. Kroos ist dazu noch schussgewaltig. Sein Ex-Coach Jupp Heynckes fasste Kroos' Können deshalb mal mit einem Wort zusammen: "Delikatesse."

Doch Kroos selbst stört die öffentliche Meinung offenbar so sehr, dass er seine Bedeutung sowohl für die Bayern als auch die Nationalmannschaft immer mal wieder verbal unterstrich. Was wiederum zeigt, wie sehr sein Ego darunter leidet. Ebenso wie unter der Rolle des Bankdrückers.

Beim Start in die Rückrunde der zurückliegenden Bundesliga-Saison wechselte Pep Guardiola seinen Mittelfeldmotor nach 60 Minuten aus. Der 24-Jährige reagierte empört, warf die Handschuhe weg und fand sich beim nächsten Spiel prompt auf der Bank wieder. Seitdem stocken die Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung. Kroos' Kontrakt läuft noch bis 2015, die Bayern wollen vorzeitig verlängern, Kroos ist das Angebot des Rekordmeisters (noch) zu niedrig. Dafür trudeln im Wochentakt angebliche Angebote für den Mittelfeldmann ein.

Kroos selbst weiß um seinen Wert. Ebenso wie der Bundestrainer. "Toni Kroos hat in den letzten ein, zwei Jahren einen Prozess gemacht. Er ist reifer, verantwortungsbewusster geworden", sagte Löw zuletzt. Löw erwartet, "dass er eine ganz andere Rolle spielt als bei den letzten Turnieren."

Gegen Portugal fing Kroos schon mal erfolgreich damit an.

(are)
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