Ex-DFB-Präsident im "Spiegel" Zwanziger bezichtigt Nachfolger Niersbach der Lüge

Hamburg · Theo Zwanziger hat in der WM-Affäre zum womöglich entscheidenden Schlag gegen seinen Intimfeind Wolfgang Niersbach ausgeholt - doch noch steht das Präsidium des DFB treu zu seinem Chef. Zwanziger erklärte im Nachrichtenmagazin Spiegel, es habe "eindeutig eine schwarze Kasse in der deutschen WM-Bewerbung" gegeben, und bezichtigte seinen Amtsnachfolger an der Spitze des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) der Lüge.

Zwanziger gegen Niersbach: Chronik einer Männerfeindschaft
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Wenige Minuten zuvor war die Präsidiumssitzung des DFB in Dortmund für Niersbach ohne Konsequenzen zu Ende gegangen.

Zwanziger, ab 2003 selbst als Vize für Finanzen Mitglied des Organisationskomitees für die WM 2006, fuhr schweres Geschütz auf. "Es ist klar, dass der heutige DFB-Präsident davon nicht erst seit ein paar Wochen weiß, wie er behauptet, sondern schon seit mindestens 2005. So wie ich das sehe, lügt Niersbach", behauptete Zwanziger.

Fragen und Antworten zu Zwanzigers Vorwürfen
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Er nannte zudem den zwielichtigen katarischen Ex-Fifa-Funktionär Mohamed Bin Hammam als Empfänger der ominösen Millionenzahlung des früheren adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus (6,7 Millionen Euro) im Jahr 2002 - was eine Verbindung zu den asiatischen WM-Stimmen für 2006 herstellen könnte.

Niersbach hatte am Donnerstag während einer Pressekonferenz erneut beteuert, es habe im Zuge der WM-Vergabe "weder Stimmenkauf noch eine schwarze Kasse" gegeben. Am gleichen Tag hatte der frühere DFB-Generalsekretär und OK-Vize Horst R. Schmidt aber mitgeteilt, dass das gesamte OK bereits 2004 Kenntnis von der angeblichen Dreyfus-Zahlung an die Fifa im Namen des Gremiums gehabt habe. Niersbachs Glaubwürdigkeit war dadurch schon heftig erschüttert.

Twitter-Reaktionen zur PK von Niersbach
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Zwanzigers in aller Öffentlichkeit geführter Schlag ist der vorläufige Höhepunkt der Affäre um fragwürdige Millionen-Schiebereien und zugleich eine neue Eskalationsstufe in der alten Männerfeindschaft mit Niersbach. Nicht nur wegen einer öffentlichen Auseinandersetzung um dessen Rentenanspruch beim DFB sind sich die beiden Alphatiere spinnefeind.

Niersbach scheint indes zumindest DFB-intern (noch) nicht zu wackeln, obwohl er tags zuvor während einer denkwürdigen Pressekonferenz ein sehr schlechtes Bild abgegeben hatte. Das Medienecho am Freitag war durchgehend verheerend.

Das Präsidium teilte allerdings mit, es werde "mit seinem Präsidenten Wolfgang Niersbach an der Spitze den eingeschlagenen Weg der umfassenden, lückenlosen Aufklärung aller Vorwürfe im Zusammenhang mit der WM 2006 konsequent weiterverfolgen". Der DFB gab außerdem bekannt, dass eine inzwischen extern eingeschaltete Wirtschaftskanzlei beauftragt wurde, "ihre Prüfung auf die Einbeziehung der Fifa auszuweiten".

Fragen und Antworten zur PK von DFB-Präsident Niersbach
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DFB-Präsidiumsmitglied und Liga-Präsident Reinhard Rauball betonte zwar ausdrücklich sein absolutes Vertrauen in Niersbach, stellte in der DFB-Mitteilung allerdings die Prioritäten des Verbandes eindeutig klar: "Es ist für den gesamten deutschen Fußball unerlässlich, dass die ganze Wahrheit ans Licht kommt, auch wenn sie zu schmerzhaften Erkenntnissen führen sollte."

"Nichts", betonte er zudem in Interviews, sei "schlimmer, als dass ein Eindruck bleibt, dass etwas unter den Teppich gekehrt werden soll. Dann nehmen wir lieber die Wahrheit in Kauf, auch wenn sie schmerzhaft ist". Lückenlose Aufklärung sei das Wichtigste: "Auch für den Fall, dass es unangenehm wird für die einen oder anderen Personen oder Beteiligten."

Zwanziger hat laut Spiegel am vergangenen Dienstag mit Horst R. Schmidt ein Telefonat geführt, von dem ein Gedächtnisprotokoll vorliegt. Auf die Frage Zwanzigers, wohin die Dreyfus-Millionen 2002 geflossen seien, soll Schmidt den Namen Bin Hammam genannt haben. Der Katarer war von August 2002 bis zu seiner lebenslangen Sperre 2011 wegen Korruption Chef der asiatischen Fußball-Konföderation AFC, galt aber bereits in den vorherigen Jahren als einflussreicher Strippenzieher im Weltverband. Die asiatischen Stimmen waren bei der WM-Vergabe im Jahr 2000 ausschlaggebend für den Zuschlag an Deutschland.

Laut Spiegel hat Zwanziger außerdem durch seinen Anwalt in einem Gutachten überprüfen lassen, ob er sich als ehemaliger DFB-Präsident strafbar gemacht haben könnte, als er 2005 eine 6,7-Millionen-Euro-Zahlung an die Fifa freizeichnete. Diese wurde mutmaßlich an Dreyfus weitergeleitet.

(sid)
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