Vergabe der WM 2006 "Beckenbauer war verantwortlich für seine Unterschrift"

Der ehemalige Innenminister Otto Schily zeigt Verständnis für Franz Beckenbauer, übt aber heftige Kritik am früheren DFB-Chef Theo Zwanziger. Dieser wiederum attackiert Beckenbauer.

 Theo Zwanziger kritisiert Franz Beckenbauer.

Theo Zwanziger kritisiert Franz Beckenbauer.

Foto: dapd, dapd

Rückendeckung von Matthias Sammer und Otto Schily, neue Angriffe von Theo Zwanziger: Die Rolle von Franz Beckenbauer in der WM-Affäre ruft auch nach der Stellungnahme des Kaisers höchst unterschiedliche Reaktionen hervor.

Der frühere DFB-Präsident Zwanziger kritisierte den ehemaligen OK-Chef Beckenbauer für dessen fahrlässiges Verhalten im Zuge der WM-Vergabe 2006 scharf. "Er war keine Privatperson, sondern DFB-Repräsentant, der an Recht und Satzung gebunden war", sagte Zwanziger der Bild am Sonntag: "Er war verantwortlich für seine Unterschrift."

Beckenbauer hatte im Interview mit der Süddeutschen Zeitung eingeräumt, dass er "immer blind unterschrieben" habe, wenn seine Unterschrift gebraucht wurde. "Wenn ich jemandem vertraue, unterschreibe ich alles. Blanko." Brisanz birgt diese Aussage insbesondere vor dem Hintergrund des dubiosen Vertragsentwurfs mit dem früheren Fifa-Vize Jack Warner vom 2. Juli 2000, den Beckenbauer blind unterzeichnet haben soll. Laut SZ soll Beckenbauer am Dienstag in diesem Zusammenhang erneut den Ermittlern der Wirtschaftskanzlei Freshfields Rede und Antwort stehen.

Der Fund des Dokuments in den DFB-Archiven hat der Zeitung zufolge nun zudem den Vize-Generalsekretär Stefan Hans den Job gekostet. Ihm soll wegen einer "schweren Pflichtverletzung" gekündigt worden sein. Angeblich hat Hans seine Vorgesetzten nicht umgehend über das Schriftstück informiert.

Beckenbauer zeigte sich in der SZ indes enttäuscht von Zwanziger, einem "früheren Freund", der mit seine Aussagen im Nachrichtenmagazin Der Spiegel die WM-Affäre erst ins Rollen gebracht hatte. "Wenn Freundschaft daraus besteht, Fehlverhalten zu decken und die Öffentlichkeit zu täuschen", entgegnete Zwanziger, "dann ist sie nichts wert."

Zudem kritisierte Zwanziger, dass Beckenbauer im SZ-Interview den zwischenzeitlich verstorbenen Ex-DFB-Präsidenten Gerhard Meyer-Vorfelder für die dubiose 6,7-Millionen-Zahlung mitverantwortlich machte. "Ich glaube nicht an diese Version", sagte der 70 Jahre alte Jurist aus Altendiez. "MV" habe "immer große Vorbehalte gegen Aktionen des OK gehabt", betonte Zwanziger: "Aber Tote können sich ja nicht mehr wehren."

Bayern-Sportvorstand Sammer und der ehemalige Bundesinnenminister Schily stellten sich unterdessen weiter hinter Beckenbauer. Das Verhalten Beckenbauers sei laut Sammer "sehr, sehr richtig und gut". Der 48-Jährige führte aus: "Er hat vielleicht über die Normalität gesprochen, die vielleicht keiner hören will in Deutschland. Wir müssen bohren, wir müssen finden, wir müssen mit dem Finger auf andere zeigen. Das sind aber in der Regel die, die sich 2006 selbst am meisten gefeiert haben."

Dass Wolfgang Niersbach als Folge des Skandals seinen Rücktritt als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) erklärt hat, bedauert Sammer, "weil er für mich eine gute, verlässliche und loyale Figur abgegeben hat. Es ist schlimm genug, dass wir jetzt überhaupt die Diskussion haben". Die WM sei ein Ereignis gewesen, "das Deutschland verändert" habe, wie Sammer betonte: "Leider redet darüber gar keiner mehr. Wir sollten aufpassen, dass wir nicht unser fantastisches Sommermärchen weiter in Grund und Boden reden."

Schily schlug sich ebenfalls auf die Seite Beckenbauers. "So ist der Franz, sehr authentisch, und er hat das glaube ich schon so geschildert, wie er tatsächlich ist, ganz ehrlich und rundheraus", sagte der 83-Jährige dem Sport-Informations-Dienst (SID) am Rande der Kuratoriumssitzung der Deutschen Sporthilfe in Bonn.

Schily ist dafür, "erstmal die Untersuchung der Anwaltskanzlei Freshfields und der Staatsanwaltschaft abzuwarten. Und dann wird sich am Ende herausstellen, ob da Vorwürfe begründet sind oder nicht. Ich jedenfalls vertraue Franz Beckenbauer, dass er die WM nur mit lauteren Mitteln erreichen wollte und da nicht unzulässige Mittel verwendet hat."

Hart ins Gericht ging Schily, der damals im Aufsichtsrat des WM-Organisationskomitees saß, mit Zwanziger. Zwanziger sei "selbst in einer Art und Weise in die Dinge verwickelt, die ihn ja auch nicht gerade zum Heroen macht", so Schily, "er hat jedenfalls die Dinge nicht so dargestellt, wie sie sind, und das ist ein Vorgang, der nicht gut ist und erst recht nicht gut ist, wenn man nachher in der Schlussabrechnung die Dinge nicht so darstellt, wie sie wirklich gewesen sind, was natürlich dann auch zu steuerlichen Untersuchungen führt."

(can/jaso/sid)
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