DFB-Stürmer Müller - kein Künstler, aber ein Typ

Santo André · Dem Münchener Torjäger brummt der Schädel, aber er wird gegen die USA wieder spielen. Er warnt davor, sich gegen die stürmischen Amerikaner auf einen offenen Schlagabtausch einzulassen und setzt auf Ballbesitz.

Thomas Müller zwinkert bei der Nationalhymne gern in die Kamera. Den Grund dafür will er aber nicht verraten. Thomas Müller zwitschert gern im Internetdienst "Twitter". Der ist öffentlich. Und deshalb weiß die große Gefolgschaft des bislang erfolgreichsten deutschen Torschützen im WM-Turnier, dass sie sich keine Sorgen um den Gesundheitszustand des Bayern machen muss.

"Alles gut bei mir, auch wenn ich ein wenig wie ein Boxer aussehe", schrieb er unter ein Foto, auf dem im Hintergrund sein Vereinskollege Bastian Schweinsteiger feixt. Müller hatte bei einem Zusammenprall mit Verteidiger John Boye in der letzten Sekunde des Spiels gegen Ghana eine Platzwunde an der Augenbraue erlitten, die genäht werden musste. Sein Einsatz in der Begegnung mit den USA (Donnerstag, 18 Uhr MESZ/Live-Ticker) ist allerdings nicht gefährdet.

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"Ich kann ohne Schmerzmittel spielen"

Der Schädel brummt dennoch ein bisschen. "Schmerzfrei ist ein großes Wort", bekannte Müller, "aber ich kann zumindest ohne Schmerzmittel spielen." Das liegt auch daran, dass er zwar stark blutete, aber keine Gehirnerschütterung erlitt. Und den Kopf wird er brauchen gegen die USA. "Wir müssen", sagte er nämlich sehr treffend, "mit Ball und Gehirn spielen." Auszeiten für die Vernunft, wie sie in der wilden Schlussphase der Partie gegen Ghana zur Regel wurden, sind diesmal verboten.

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Denn Müller weiß, dass es trotz der komfortablen Situation - Deutschland genügt ein Punkt zum Gruppensieg - "immer schnell vorbei sein kann. Wir müssen mit Seriosität reingehen". Weil die USA im typischen Klinsmann-Stil den schnellen Weg nach vorn suchen, sei es "das beste Mittel, den Ball auch in unguten Situationen zu behaupten".

Dazu wird er erneut als die vordere Spitze beitragen, so viel steht mal wieder fest. Und er hat sich mit der neuen Rolle angefreundet, wie nicht nur die drei Tore gegen Portugal zum Auftakt beweisen. Das Profil der Position kann er jedenfalls bildschön aufsagen: "Ich stehe jetzt natürlich öfter mit dem Rücken zum Tor und bin vielleicht noch weniger am Spiel beteiligt als auf der Außenposition. Aber es kommt darauf an, sich viel zu bewegen, Räume zu schaffen für die Mitspieler und dann im Strafraum präsent zu sein." Eine Menge Arbeit für einen einzelnen Herrn.

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Thomas Müller hat damit kein Problem. Lauffreude gehört zu seiner fußballerischen Grundausstattung, und das Gefühl für den jeweils richtigen Ort auf dem Platz hat ihm den Ehrentitel "Raumdeuter" eingetragen. Er bezeichnet eine Fähigkeit, um die er in der ganzen Welt beneidet wird und die sicher nicht zu den Dingen gehört, die man auf der Fußball-Schulbank lernen kann.

Das macht den Senkrechtstarter der WM vor vier Jahren in Südafrika, in der er als Debütant gleich mal Torschützenkönig wurde, so außergewöhnlich. Und es sichert ihm schon jetzt trotz der vergleichsweise geringeren Eleganz seines Spiels einen Platz unter den großen Offensivakteuren des Turniers. Einer wie Neymar, der immer wieder kleine Varieté-Kunststückchen einstreut, wird er nicht. Und ein Sprinter wie sein Klubkollege Arjen Robben auch nicht. So etwas strebt Müller gar nicht an. Er ist ganz zufrieden mit sich selbst. Und er durfte gestern nach dem Training in Santo André mit breitem Grinsen gelassen feststellen: "Ich habe mir sagen lassen, ich bin schwer vergleichbar."

Das beweist er bei seinen öffentlichen Auftritten jenseits des Rasenvierecks. Er ist kein Freund der Wiederholung mühsam vorgestanzter Standardsprüche. Deshalb kann er Sätze sagen wie diesen: "Ich bin nicht hergekommen, um den goldenen Schuh für den Torschützenkönig zu gewinnen. Den hab ich schon, was soll ich mit einem zweiten? Ich bin gekommen, um Weltmeister zu werden." Das war er noch nicht. Sonst hat er schon fast alles gewonnen. Mit 24 Jahren.

(RP)
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