ARD-Kommentator im Interview Tom Bartels: "Die Situation war pervers"

ARD-Kommentator Tom Bartels hat vor einem Millionenpublikum seine schlimmsten TV-Minuten erlebt. Während Paris vom Terror erschüttert wurde, musste er über Fußball reden. Im Interview spricht er über seine Gefühle.

Tom Bartels musste am Freitag das Länderspiel in Paris kommentieren.

Tom Bartels musste am Freitag das Länderspiel in Paris kommentieren.

Foto: dpa, bsc

Tom Bartels, Sie hatten am Freitag eine extrem schwierige Aufgabe. Sie haben für die ARD das deutsche Länderspiel im Stade de France kommentiert, zeitgleich erschütterte der Terror Paris.

Tom Bartels Ich kam in der Hoffnung auf eine wunderbare Stadt und ein Fußballfest. Aber ab der ersten Detonation hatte ich ein ganz mulmiges Gefühl, nach der zweiten erst recht.

Wie war Ihr Informationsstand zu welchem Zeitpunkt? Anfangs wirkten Sie für viele noch recht unbeeindruckt.

Bartels Eine Minute nach der Pause kam, dass es Verletzte gegeben haben muss. Da wusste ich, dass etwas ganz Schreckliches passiert ist. Das verstärkte sich, als Frankreichs Präsident Francois Hollande nach der Pause nicht mehr auf seinem Platz saß. Jede Information wurde mir direkt aufs Ohr gegeben, wir wollten alles sofort vermelden.

Die Meldungen wurden immer schlimmer. Ihre dramatischsten TV-Minuten?

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Bartels In der 70. Minute ungefähr wusste ich, dass es Tote gegeben hat. Die Situation war pervers. Ich war überfordert. Das ist mit nichts vergleichbar, was ich jemals als Reporter erlebt habe. Das ist das Schlimmste, was passieren kann, dass Menschen sterben während eines Sportereignisses. Es war grausam, mit Worten nicht zu beschreiben und zu lösen. Man fühlt sich schlecht. Mir haben die Knie gezittert.

Wie schwierig war es, unter diesem Eindruck das Spiel weiterhin zu begleiten?

Bartels Es war einfach nur furchtbar, vor allem, wenn man sieht, dass die deutsche Mannschaft, die ja nicht informiert war, sich da redlich um den Ausgleich bemüht oder um ein Tor. Diese Sinnlosigkeit wurde mir immer mehr bewusst. Ich wollte nur, dass es zu Ende geht. Man wünscht sich, irgendwie erlöst zu werden.

Es gab während des Spiels viel Kritik. Tenor war, die ARD hätte die Übertragung abbrechen müssen. Warum ist das nicht passiert?

Bartels Diese Leute hätten das vor Ort sicher alle genau so gemacht, wie man das machen muss. Man wird eben überrollt. Ich weiß gar nicht, wie man das machen muss. Ich will so etwas nie wieder erleben. Das war schockierend. Wir haben auch diskutiert, was zu tun ist. Aber ich finde es fast ärgerlich, wenn sich da jetzt Leute hinstellen und den Zeigefinger heben, als würden da Personen pietätlos im Ü-Wagen sitzen. Sicher jedoch hätte man am Ende keine Spiele mehr zeigen sollen.

Haben Sie sich etwas vorzuwerfen?

Bartels Ich weiß nicht. Ich war mir sogar lange nicht sicher, ob ich vielleicht übersensibel bin. Ich wurde anfangs sogar gefragt, warum ich überhaupt diese vermeintlichen Böller erwähnt habe.

Wie haben die Organisatoren auf Sie gewirkt?

Bartels Gut. Ruhig. Das Spiel hätte auf keinen Fall abgebrochen werden dürfen. Dann wäre womöglich Panik ausgebrochen.

(are/sid)
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