Bekanntgabe des DFB-Kaders Wie '74: Löw mit sieben Bayern zur WM

Frankfurt/Main (RPO). Der FC Bayern soll es auch in Südafrika richten: Bundestrainer Joachim Löw setzt auf dem beschwerlichen Weg zum vierten WM-Titel auf einen Block von Champions-League-Finalist Bayern München. Sieben Profis des Rekordmeisters wurden von Löw am Donnerstag im Stuttgarter Mercedes-Benz-Museum in den vorläufigen 27-Mann-Kader der deutschen Fußball-Nationalmannschaft für die Weltmeisterschaft (11. Juni bis 11. Juli) berufen - darunter der dritte Torwart Jörg Butt, Angreifer Thomas Müller und Verteidiger Holger Badstuber.

WM 2010: Reaktionen zum deutschen Kader
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Foto: AFP

1974 hatte Deutschland mit einer großen Bayern-Fraktion um Franz Beckenbauer und Gerd Müller den Titel geholt. Auch beim Triumph 1990 standen sechs Bayern-Profis im DFB-Kader. "Die Bayern spielen in dieser Saison sehr, sehr dominant, gerade international. Sie strotzen vor Selbstvertrauen", sagte Löw zur Münchner "Blockbildung", die auch Philipp Lahm begrüßt: "Wir sind Meister und stehen im Champions-League-Finale. Da spricht einiges dafür."

Überraschend wurde zudem Außenverteidiger Dennis Aogo vom Hamburger SV, der neben Badstuber der einzige Akteur ohne Länderspiel-Erfahrung ist, für das WM-Casting in den kommenden Wochen nominiert. Dagegen hat sich der Wechsel von Thomas Hitzlsperger zu Lazio Rom im Winter nicht ausgezahlt. Der ehemalige Stuttgarter steht nicht im vorläufigen Aufgebot, dem sieben U21-Europameister und acht WM-Teilnehmer von 2006 angehören.

"Wir haben absolutes Vertrauen in diesen Kader und großes Vertrauen, dass wir eine gute WM spielen werden", sagte Löw. Die Entscheidung, welche 23 Spieler letztendlich nach Südafrika fliegen werden, will er mit Ablauf der FIFA-Meldefrist am 1. Juni während des zweiten Trainingslagers in Südtirol fällen. Bis dahin gebe es auf Sizilien und in Südtirol einen "Konkurrenzkampf" um die Plätze.

Offen ist nach der Absage von Leverkusens Rene Adler auch noch das Rennen um die Nummer eins. Der Schalker Manuel Neuer scheint die besten Karten zu besitzen, aber auch der Bremer Tim Wiese und der 35 Jahre alte Butt dürfen sich Hoffnungen machen. "Wir werden uns jetzt in den nächsten Tagen in aller Ruhe darüber unterhalten und uns dann festlegen. Alle Torhüter haben eine große Qualität", meinte Löw.

Butt macht sich offenbar Hoffnungen, das Trikot mit der Nummer 1 zu ergattern. "Jeder, der bei der WM ist, will auch spielen. Ich werde im Training arbeiten und mich anbieten", sagte er.

Die Entscheidung für Butt und etwa gegen Jens Lehmann ("Das war für uns kein Thema") ist laut Löw "schnell gefallen". Der Bayern-Keeper habe eine hervorragende Saison gespielt, "er ist Meister und steht in zwei Finals. Außerdem kann er mit seiner Persönlichkeit und seiner Reife die anderen Spieler führen."

Die Vorzeichen vor der 17. Teilnahme einer deutschen Auswahl an einer WM sind nach Aussage des Bundestrainer "noch nie so kompliziert und schwierig gewesen". Vor allem die Gestaltung des Trainings sei "nicht einfach. Wir freuen uns natürlich über die Erfolge unserer Vereine. Aber als Bundestrainer muss man mit den Folgen leben."

Beim Benefiz-Länderspiel gegen Malta am 13. Mai in Aachen, für das Löw die Perspektivspieler Tobias Sippel, Mats Hummels, Kevin Großkreutz, Stefan Reinartz und Marco Reus berief, fehlen insgesamt zwölf Stammkräfte. So muss Löw auf Kapitän Michael Ballack, der mit dem FC Chelsea im FA-Cup-Finale steht, sowie die Spieler aus München und von Werder Bremen verzichten, die ebenfalls am 15. Mai das DFB-Pokal-Endspiel bestreiten.

Ballack und die Werder-Akteure reisen danach in das Regenerations-Trainingslager des WM-Kaders auf Sizilien. Die Spieler des FC Bayern treffen erst zwei Tage nach dem Champions-League-Finale am 22. Mai gegen Inter Mailand in Madrid in Südtirol ein.

Löw kann der schwierigen Situation aber auch etwas Positives abgewinnen. "Die Spieler sind mental gut vorbereitet. Sie stehen bis zur letzten Minute unter Hochspannung und verlieren die Konzentration nicht."

Möglicher Kritik an der Auswahl der 27 Spieler griff Löw am Donnerstag vor 25 Kamerateams und rund 200 Journalisten schon einmal vor. Es sei nicht "unsere Aufgabe, dass wir es jedem recht machen. Für uns war unsere Philosophie, unsere taktische Ausrichtung und unser Spielstil ausschlaggebend. Da muss sich jeder einordnen."

Indirekt verteidigte er auch noch einmal die Absage an Schalkes Torjäger Kevin Kuranyi: "Es geht nicht darum, die aktuell besten Spieler zu berufen, sondern darum, das beste Team zu formen. " Der Anruf bei Hitzlsperger, der in der WM-Qualifikation immer dabei war, sei ihm jedoch "außerordentlich schwer" gefallen.

Für die kommenden Wochen, die laut Löw von "Gemeinsamkeit, mehr als 50 anspruchsvollen Trainingseinheiten und hoffentlich sieben brisanten und spannenden Spielen" geprägt sein werden, hat der Bundestrainer klare Erwartungen an seine Spieler: "Sie müssen sich nach innen und außen korrekt verhalten, Respekt vor dem eigenen Team, dem Gegner und dem Gastgeberland zeigen. Fairplay ist ein ganz wichtiges Thema. Wir repräsentieren 80 Millionen Deutsche."


Der deutsche 27er-Kader für die WM in Südafrika, aus dem letztlich die 23 Südafrika-Fahrer benannt werden sollen:

Tor: Manuel Neuer (Schalke 04), Tim Wiese (Werder Bremen), Jörg Butt (Bayern München) - nur für Malta: Tobias Sippel (1. FC Kaiserslautern)

Abwehr: Dennis Aogo (Hamburger SV) Jerome Boateng (Hamburger SV), Arne Friedrich (Hertha BSC Berlin), Philipp Lahm (Bayern München), Per Mertesacker (Werder Bremen), Marcell Jansen (Hamburger SV), Serdar Tasci (VfB Stuttgart), Holger Badstuber (Bayern München), Heiko Westermann (Schalke 04), Andreas Beck (1899 Hoffenheim) - nur für Malta: Stefan Reinartz (Bayer Leverkusen), Mats Hummels (Borussia Dortmund)

Mittelfeld: Michael Ballack (FC Chelsea), Marko Marin, Mesut Özil (alle Werder Bremen), Piotr Trochowski (Hamburger SV), Sami Khedira, Christian Träsch (beide VfB Stuttgart), Toni Kroos (Bayer Leverkusen), Bastian Schweinsteiger (Bayern München) - nur für Malta: Kevin Großkreutz (Borussia Dortmund), Marco Reus (Borussia Mönchengladbach)

Angriff: Cacau (VfB Stuttgart), Mario Gomez, Miroslav Klose, Thomas Müller (alle Bayern München), Stefan Kießling (Bayer Leverkusen), Lukas Podolski (1. FC Köln)

(SID/chk)
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