Analyse zum zweiten WM-Spiel der Nationalmannschaft Löw wechselt die entscheidenden Spieler ein
Fortaleza · Die Kanzlerin war diesmal nicht da. Und es gab auch sonst keinen prominenten Besuch in der deutschen Kabine. Dafür gab das Ergebnis des zweiten WM-Gruppenspiels auch keinen Anlass her. 2:2 trennte sich die DFB-Auswahl von Ghana, und sie kann damit den Einzug ins Achtelfinale erst in der nächsten Woche im abschließenden Vorrundenspiel gegen die USA sicherstellen.
Das Publikum aber, sofern es sich einen Hauch von Neutralität bewahren konnte, war hingerissen von einer Begegnung, die nach einem fußballerischen Drama im Schlussakt beide Teams hätten gewinnen können.
Was die Zuschauer zu Begeisterungsstürmen trieb, war für die Trainer nicht unbedingt das reine Vergnügen. "Es war schon auch ein Gefühl irgendwo zwischen Himmel und Hölle", sagte Bundestrainer Joachim Löw, "für die Zuschauer war es sicher unheimlich faszinierend, weil beide Mannschaften bedingungslos nach vorn gespielt haben. Es war ein offener Schlagabtausch."
Genau vor dem hatte Löw in den Tagen vor der Begegnung noch ausgiebig gewarnt. "Wenn wir uns darauf einlassen, können wir nicht gewinnen", hatte er erklärt. Das war weitsichtig. Er griff dennoch nicht ein, als seine Mannschaft den offenen Schlagabtausch annahm, selbst Chancen zum Sieg ausließ, immer wieder aber in teilweise grotesker Unterzahl mit ghanaischen Kontern fertig werden musste. "Das Spiel hat sich einfach so entwickelt", sagte Löw.
Die Grundlage dafür war die nach dem ein wenig matten und taktisch geprägten Spielverlauf der ersten Hälfte überraschende Führung der DFB-Auswahl. Mario Götze stolperte den Ball nach Flanke von Thomas Müller mit Kopf und Knie über die Linie, wofür er sich hernach noch die Ehre einfing, zum Fifa-Mann des Matchs gewählt zu werden. Bedeutende fußballerische Beiträge, die das rechtfertigen können, lieferte er allerdings nicht.
Dafür hatte er den Startschuss zu einer wilden Jagd gegeben. Die Ghanaer glichen wenige Minuten später durch einen Kopfballtreffer von Andre Ayew aus. Und als Asamoah Gyan einen der erstaunlich vielen Schnitzer von Philipp Lahm zur 2:1-Führung der Afrikaner nutzte, zeigten die Deutschen Wirkung.
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Jedoch nicht lange, denn nun gingen sie zum Angriff über. Löw wechselte die entscheidenden Spieler ein. Bastian Schweinsteiger übernahm für den ausgelaugten Sami Khedira, der nun die Folgen seiner langen Verletzungspause spürte, die Kontrolle in der Mittelfeldzentrale. Er zeigte sofort Präsenz auf dem Platz, wich den Zweikämpfen nicht aus und brachte die Kollegen in ein paar Minuten nach seiner Einwechslung bereits besser zur Geltung, als das Khedira in fast 70 Minuten gelungen war.
Mit Schweinsteiger war Miroslav Klose gekommen. Und der Stürmer benötigte gerade 120 Sekunden für sein erstes Tor bei dieser WM. Das 2:2, ein typisches reingestochertes Mittelstürmertor, war sein 15. Treffer in der ganz persönlichen WM-Geschichte. Er hat jetzt gleichgezogen mit dem Brasilianer Ronaldo. Und wenn das Turnier für Deutschland noch ein paar Spielchen dauert, wird der seinen Rekord verlieren. Klose feierte das ungewöhnliche Jubiläum mit einem Salto, den er trotz der Last von 36 Jahren stand.
"Der Bastian Schweinsteiger und der Miroslav Klose haben der Mannschaft einen Schub gegeben, frische Impulse und neue Moral", urteilte Löw. Die beiden Routiniers entsprachen damit ziemlich genau der Vorgabe, die der Bundestrainer seinen neuerdings als "Spezialkräften" eingestuften Ersatzspielern mit auf den Weg gegeben hat.
Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass sie auch das nächste Spiel auf der Bank beginnen werden. Das liegt in erster Linie an Khediras Vorstellungen im Training. Sollte sich dort der Eindruck aus Fortaleza bestätigen, dass er nach der Rekord-Heilung zur Unzeit in ein körperliches Tief gefallen ist, steht Schweinsteiger bereit. Das hat er in den 20 WM-Minuten vom Samstag bewiesen.
Wie die Kollegen wird er sich aber gegen die USA kaum noch mal zu einem derart offenen Spiel bereitfinden dürfen. Denn nicht jeder Gegner verschleudert Kontergelegenheiten wie die Ghanaer.