WM 2014 Letzte Chance für die Generation Schweinsteiger

Santo André · Bastian Schweinsteiger, sein Kumpel Lukas Podolski, Philipp Lahm und Per Mertesacker sind seit zehn Jahren Nationalspieler. Bei der Weltmeisterschaft in Brasilien soll ihnen endlich der große Wurf gelingen.

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Foto: dpa, nic

Vor zehn Jahren erlebte der ruhmreiche Betzenberg eine historische Stunde. Das fand jedenfalls der fast ebenso ruhmreiche Lothar Matthäus. Zur Feier der ersten deutschen Weltmeisterschaft 1954 trafen die Endspielpartner von damals aufeinander, Ungarn gewann mit 2:0. Und Matthäus, der Trainer der längst in der fußballerischen Versenkung verschwundenen Ungarn, stellte fest: "Heute haben wir das Wunder vom Betzenberg erlebt." Er erzielte damit einen großen Heiterkeitserfolg.

Es war aber trotzdem ein bedeutsames Spiel, weniger für die Gäste, die bald ihren wundervollen Trainer verloren, als vielmehr für die Gastgeber. Denn Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski feierten ihre Länderspielpremiere. Sie stand zwar ebenso wenig unter einem guten Stern wie die bald folgende Europameisterschaft, aus der sich Deutschland nach der Vorrunde verabschiedete, ohne für größere Einträge ins DFB-Geschichtsbuch zu sorgen. Aber es sollte zügig besser werden.

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Foto: ap, MS

Goldene Generation braucht Titel

Im selben Jahr wie Schweinsteiger und Podolski machten Per Mertesacker und Philipp Lahm ihre ersten Länderspiele. Jürgen Klinsmann warf als Trainer reichlich alten Ballast über Bord, und es war der Anfang des Sommermärchens, zu dem die Generation Schweinsteiger bedeutende Beiträge leistete. Zehn Jahre darauf stehen die einstigen Nachwuchsspieler vor ihrer wohl letzten Weltmeisterschaft. Diese Generation kann ihr fußballerisches Lebenswerk in Brasilien krönen. Sie könnte zu einer goldenen Generation werden, ganz nach einem treffenden Wort von Philipp Lahm: "Wenn man eine goldene Generation werden will, dann muss man unbedingt Titel gewinnen."

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Mit dieser erklärten Absicht gehen Lahm, Schweinsteiger, Podolski und Mertesacker ins Turnier. Allerdings unter unterschiedlichen Vorzeichen. Lahm ist ein unbestrittener Stammspieler, ein Meister der politischen "Ich-sag-mal-lieber-nichts"-Reden auf dem Podium. Ein Mann mit großem Einfluss, der seine Macht aus dem Hintergrund inszeniert und dafür keine lauten Töne braucht wie die einstigen Kabinen-Platzhirsche. Unvergessen, wie er Michael Ballack, seinen Vorgänger im Kapitänsamt, während der Weltmeisterschaft vor vier Jahren in Südafrika ins Abseits drängte. Lahm kann noch immer lächeln wie ein Lausbub, aber er ist mit allen Wassern des Profisports gewaschen.

Bastian Schweinsteiger hat es zurzeit viel schwerer. Aus dem fröhlich-unbedarften Kerlchen, das einstmals mit einer Freundin ("meine Cousine") über den Zaun ins Bayern-Vereinsgelände stieg, um ein Bad im Whirlpool zu nehmen, ist auf dem Platz ein großer Stratege geworden. Allerdings einer, der mit dem späten Boris Becker sagen könnte: "Auch an mir ist der Zahn der Zeit nicht spurlos vorübergegangen."

Schweinsteiger droht Platz auf der Bank

Schweinsteiger leidet nach vielen, vielen Jahren auf höchstem Niveau unter dem Wettbewerbsverschleiß, sein Körper rebelliert immer wieder gegen die Dauerbelastungen. Und er könnte zunächst mal einen Parkplatz auf der Bank bekommen. Möglicherweise, weil sein Bayern-Kollege Lahm einen Platz im defensiven Mittelfeld beansprucht. Der hat dazu drei bemerkenswerte Sätze gesagt: "Ich nehme niemandem den Platz weg. Es werden einige auf der Bank sitzen, die das nicht kennen. Dann wird sich zeigen, wie der Teamgeist ist." Profifußball kann eine ernste Angelegenheit sein - auch oder gerade für Philipp Lahm.

Aber nicht für Lukas Podolski. Er albert immer noch so unbeschwert herum wie zu Zeiten des Sommermärchens, als "Poldi & Schweini" das Unterhaltungspaar des deutschen Fußballs waren. Zwischenzeitlich schien Schweinsteiger auf der Reise ins Charakterfach der großen Darsteller zu enteilen, während Podolski auch wegen seiner vergleichsweise weniger kunstvollen Spielweise als Teilzeitkraft und Gute-Laune-Onkel sein Auskommen fand. Podolskis notorisch gute Laune hält unerbittlich an, aber seine Startelf-Aussichten sind besser als die seines alten Kumpels Schweini. Rechtzeitig zu den Turnieren hat der kölsche Wahl-Londoner noch immer die Form gefunden.

Mertesacker, Podolskis Teamkamerad beim FC Arsenal, hatte nie den Glamour-Faktor der anderen Golden Boys des deutschen Fußballs. Er verrichtet mit niedersächsischem Gleichmut seinen Job in der Abwehr. Und mit seinem stelzenden Schlackergang ist kein Starkult zu machen. Ihm ist das herzlich gleichgültig, er ist wahrscheinlich der Goldjunge mit der stärksten Erdverbundenheit.

An seinen Ansprüchen ändert das nichts. Er will diesen Titel, und er weiß, dass er mit einem Stammplatz als Abwehrchef ins Turnier startet. Den Stammplatz hat er Schweinsteiger schon mal voraus.

(RP)
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