DFB-Team trifft auf Frankreich Neuer braucht keinen Lehmann-Zettel

Santo Andre · Der deutsche Nationaltorwart bereitet sich auf alle Eventualitäten vor – auch auf ein Elfmeterschießen gegen Frankreich. Trotz intensiver Vorbereitung auf mögliche Schützen sei das Wichtigste, sich auf sein Gefühl zu verlassen.

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Foto: Screenshot Twitter

Der deutsche Nationaltorwart bereitet sich auf alle Eventualitäten vor — auch auf ein Elfmeterschießen gegen Frankreich. Trotz intensiver Vorbereitung auf mögliche Schützen sei das Wichtigste, sich auf sein Gefühl zu verlassen.

Jens Lehmann hatte den Zettel im Strumpf. Der Zettel liegt inzwischen im Museum. Bodo Illgner hatte mal das richtige Gefühl. Und Andy Köpke war ein regelrechter Spezialist. Sie alle waren Torhüter. Und sie alle haben bei Turnieren wichtige Elfmeter gehalten. Lehmann 2006 im WM-Viertelfinale gegen Argentinien, Illgner 1990 im WM-Halbfinale gegen England und Köpke 1996 im EM-Halbfinale ebenfalls gegen England. Sie brachten ihre Teams mit ihren Paraden im Elfmeterschießen in die nächste Runde.

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Foto: afp, RC

Manuel Neuer hat keinen Zettel im Stutzen. Und es ist natürlich nicht heraus, ob es am Freitag in Rio beim WM-Viertelfinale gegen Frankreich (18 Uhr MESZ/Live-Ticker) überhaupt zum finalen Wettbewerb vom Elfmeterpunkt kommen wird. Völlig unwahrscheinlich ist es nach den Eindrücken der ersten Entscheidungsspiele, nach dem Achtelfinale, jedoch nicht. Brasilien und Costa Rica kamen nur auf diese Weise weiter, drei andere der acht Begegnungen mussten in die Verlängerung.

"Ich studiere die Schützen"

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Deshalb geht Neuer nicht unvorbereitet in das Spiel mit Frankreich. Auch ohne Zettel wird er ungefähr wissen, was auf ihn zukommt. "Ich bereite mich vor jedem Spiel auf die Standards des Gegners vor", sagt der Torwart der DFB-Auswahl, "ich studiere die Schützen. Und wenn es so weit ist, kann man sich ja noch in der zweiten Hälfte der Verlängerung etwas anschauen." Ob er ein Smartphone auf der Ersatzbank deponieren wird mit Videozusammenschnitten der zurückliegenden französischen Auftritte vom Punkt, den man früher den ominösen nannte, verrät er nicht. Vielleicht schleppt ein Betreuer einen Computer aufs Feld. "Ein Chip im Kopf wäre auch nicht schlecht", scherzt Neuer.

Wahrscheinlich braucht er den gar nicht, oder er hat ihn schon. Denn es ist ziemlich sicher, dass Torhüter ein ganz besonderes Gedächtnis für derartige Situationen haben. So ähnlich wie Tennisspieler, die einem noch nach Jahren ganz genau erklären können, bei welchem Rückhand-Volley im zweiten Spiel des dritten Satzes gegen den Spieler XY der Weg zum Sieg frei wurde. In dieser Frage ist der Spitzensport eine buchstäblich sinnliche Geschichte. "Am Ende", sagt Neuer, "muss man auf sein Gefühl hören."

Zunächst mal hat er keinen Anlass, das innere Ohr vor dem Penalty-Schießen scharf zu stellen. Noch mehr könnte er sich für die Besetzung der Abwehr interessieren, die er im Spiel gegen Algerien durch zahlreiche Ausflüge in seinem Nebenjob als Deutschlands erster freischaffender Libero unterstützen musste. Aber auch die Frage um die Aufstellung der Defensivreihe bringt ihn nicht um die Nachtruhe.

Neuers Bewusstsein für das Risiko des Platzverweises

Schließlich haben alle möglichen Varianten nach Neuers in dieser Hinsicht bestimmt maßgeblichen Experten-Meinung ihr Gutes. Er zählt auf: "Wenn der Philipp Lahm hinten rechts spielt, machen wir in der Offensive mehr Druck auf den Gegner. Ich fühl mich aber auch wohl, wenn er im Zentrum steht. Die vier Innenverteidiger als Abwehrkette zeigen in der Defensive Zweikampfstärke." Es scheint ihm herzlich gleichgültig, hinter welcher Reihe er spielen wird. Die Kollegen können sich darauf verlassen, dass Neuer in Kontersituationen erneut in der Rolle des großen Helfers antreten wird, der weit durch die eigene Hälfte eilt. Das Risiko ist ihm bewusst. "Ich weiß, dass ich nicht zu spät kommen darf", erklärt der Torwart, "denn dann riskiere ich eine Rote Karte." Bislang ist ihm das nicht geschehen, obwohl er seinen Job schon immer recht offensiv auslegt. "Das ist meine Spielweise", bekennt er. Und sein Torwarttrainer Köpke findet diesen Stil in Ordnung. "Da ist man auf der Bank ganz ruhig", versichert er.

Das ist ganz im Sinne des Schlussmanns, der seinen Vorderleuten in Körpersprache und Spielauffassung diese Botschaft sendet: "Bleibt gelassen wie ich selbst. Ihr könnt mir den Ball in jeder Lage zuspielen, ich habe kein Problem damit." Tatsächlich spielt er seine fußballerischen Möglichkeiten unheimlich gern aus - nur sehr selten mit peinlichen Folgen. Köpke ist deshalb überzeugt davon, dass Neuer auf jeden Fall im Feld spielen könnte. "Fraglich ist nur in welcher Klasse."

Als Libero sicher ganz weit oben.

(RP)
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