DFB-Präsident untergetaucht Niersbach hat Steuererklärung zur WM 2006 unterschrieben

München · Nach der Steuerrazzia hüllt sich der schwer angeschlagene DFB-Präsident Wolfgang Niersbach weiter in Schweigen. Kein Wort zu der sich weiter zuspitzenden Affäre um die WM 2006, keine Aussage zu seiner Zukunft. Bei einer spontan einberufenen Mitarbeiterversammlung in der Verbandszentrale, in der Generalsekretär Helmut Sandrock die Beschäftigten über die Entwicklungen informierte, war Niersbach am Mittwoch nicht anwesend.

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Foto: dpa, ade nic

Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" ist die angeblich falsche Steuererklärung von Niersbach unterzeichnet worden. Laut "SZ" hatte er die Erklärung nur wenige Tage nach seiner Berufung zum Generalsekretär Ende Oktober 2007 unterschrieben. Diese Erklärung soll damals schon lange fertig gewesen sein.

Es ist davon auszugehen, dass die Unterschrift Niersbachs der Grund ist, warum die Staatsanwaltschaft Frankfurt auch gegen ihn und nicht nur gegen Theo Zwanziger und Horst R. Schmidt wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung in einem schweren Fall ermittelt. Zwanziger und Schmidt waren zum Zeitpunkt der Steuererklärung 2006 DFB-Präsident und -Generalsekretär.

Ob oder wie lange der 64-Jährige angesichts der Geschehnisse rund um die ominöse 6,7-Millionen-Euro-Zahlung im Vorfeld des Sommermärchens noch im Amt bleibt, ist unklar. Zumindest im Verband genießt er weiter Rückendeckung, eine offene Rücktrittsforderung gibt es bisher nicht. "Ein Problem wäre es dann, wenn Wolfgang Niersbach nicht bereit wäre, umfassend die Aufklärung mit uns zu betreiben. Dem ist aber nicht so", erklärte DFB-Vizepräsident Rainer Koch dem "Bayerischen Rundfunk".

Ungemütlicher Herbst für Niersbach

Dennoch ist es ein ungemütlicher Herbst für den DFB-Boss. Neben einer möglichen Anklageerhebung wegen Steuerhinterziehung drohen Niersbach, seinem Vorgänger Zwanziger und Schmidt nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" auch Schadenersatzforderungen in Millionen-Höhe. Laut "SZ" werden in Verbandskreisen nachträglich fällige Steuern in Höhe von 2,2 Millionen Euro für möglich gehalten, plus Zinsen seit 2006. Dafür könnte der DFB die damaligen Verantwortlichen in Regress nehmen.

Am Mittwoch beschäftigte sich auch der Sportausschuss des Bundestages mit dem Thema. Dass die nicht-öffentliche Sitzung zur Aufklärung beitragen könnte, erwartete aber selbst die Ausschussvorsitzende Dagmar Freitag (SPD) nicht. "Das ist heute ein Termin, der wirklich einer ersten Anberatung dienen kann", sagte sie. "Ich erwarte mir noch keine allzu großen Erläuterungen."

Gegen Beckenbauer wird nicht ermittelt

Keine juristischen Konsequenzen hat derzeit Franz Beckenbauer zu fürchten. Gegen Beckenbauer werde nicht ermittelt, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Grund dafür sei nicht Beckenbauers Wohnsitz außerhalb von Deutschland, der damalige OK-Chef lebt in Österreich, sondern vielmehr, dass Beckenbauer nichts mit der betreffenden Steuererklärung zu tun gehabt habe. Um andere mögliche Tatbestände wie Untreue oder Bestechung geht es wegen Verjährung nicht.

Bisher stellt sich niemand aus der DFB-Führungsspitze öffentlich gegen Niersbach. "Wolfgang Niersbach muss Präsident bleiben. Er war im Organisationskomitee für die WM 2006 nur für Medien und Marketing zuständig. Die entscheidenden Männer waren doch Theo Zwanziger und Horst R. Schmidt", sagte der Präsident des niedersächsischen Fußballverbandes (NFV) Karl Rothmund der dpa.

Es gibt auch kritische Stimmen. Rolf Hocke, Chef des hessischen Fußball-Verbandes, erwartet "von den Verantwortlichen im Präsidium zum Beispiel die Einberufung einer außerordentlichen Vorstandssitzung", sagte er der "Frankfurter Allgemeine Zeitung". "In jedem Fall dürfen wir nicht weitere vier Wochen ins Land gehen lassen."

Joachim Masuch, Präsident des Landesfußballverbandes Mecklenburg-Vorpommern, kritisierte die Aufklärungsarbeit von Niersbach. "Mit dem derzeitigen Stand kann man überhaupt nicht zufrieden sein", sagte er. Eigentlich könne der Präsident sein Amt gerade gar nicht "unbeschadet" ausüben.

Doch das scheint Niersbach noch anders zu sehen. Sein Amt erst einmal ruhen zu lassen, ist für ihn offenbar keine Option. Und das, obwohl die Lage für ihn prekär ist. Am Dienstag hatten rund 50 Ermittler von Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung sowohl den Verbandssitz in Frankfurt am Main als auch die privaten Häuser von Niersbach, Zwanziger und Schmidt durchsucht.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt "wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall". Dabei geht es um die Rückzahlung jener 6,7 Millionen Euro an den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus, die das WM-Organisationskomitee 2005 bewusst in seiner Steuererklärung falsch als Beitrag zu einer Fifa-Gala getarnt hatte.

Die Frage, wohin das Geld des Franzosen ursprünglich einmal geflossen ist, steht seit Wochen im Zentrum des gesamten Skandals und ist weiter nicht geklärt.

(seeg/dpa)
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