Anti-Korruptions-Kämpferin Schenk: "Blatter hat es nicht mehr in der Hand"

Frankfurt/Main · Anti-Korruptions-Expertin Sylvia Schenk sieht keine Zukunft für die Fifa mit einem Präsidenten Joseph S. Blatter. Die Krise im Weltverband wird auf Jahre nicht beendet sein.

Russland und Katar werden WM-Gastgeber bleiben, aber Blatter muss weg: Für die Anti-Korruptions-Kämpferin Sylvia Schenk muss die tiefe Krise im Fußball-Weltverband Fifa personelle Konsequenzen nach sich ziehen. "Blatter hat es nicht mehr in der Hand, er hat keine Glaubwürdigkeit mehr", sagte die Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International dem SID. Mit dem scharf kritisierten Präsidenten, unter dessen Regie die Fifa von zahlreichen Affären und Skandalen erschüttert wurde, gebe es keine Chance auf einen Neuanfang.

"Natürlich gibt es auch ein Problem im System Fifa", sagte Schenk. Aber "in dem Moment, wo man immer noch Probleme aus der Vergangenheit mit sich herumschleppt und gleichzeitig einen Präsidenten hat, der diese Vergangenheit nicht nur miterlebt, sondern mit straffer Hand geführt hat, kann die Fifa - egal wie gut die Strukturen sind - keine Glaubwürdigkeit mehr erlangen."

Die möglichen Fehlentscheidungen für die beiden WM-Ausrichter 2018 und 2022 seien aber nicht mehr rückgängig zu machen. "Es gibt hohe rechtliche Hürden zu überwinden, um im Nachhinein einen solchen Vertrag zu annullieren", sagte Schenk: "Dafür bräuchte es eine Menge rechtlich belastbare Gründe - und davon ist derzeit überhaupt kein Hinweis zu sehen."

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Foto: dapd, Alessandro Della Bella

Der Untersuchungsbericht des früheren US-Bundesanwalts Michael J. Garcia, der derzeit erneut geprüft werden muss, hatte in der stark angezweifelten ersten Auswertung des deutschen Richters Hans-Joachim Eckert (München) keine Anzeichen für Korruption und Betrug bei der Abstimmung des Fifa-Exekutivkomitees am 2. Dezember 2010 hervorgebracht. "Die Fifa wollte einen Schlussstrich ziehen. Sie wollte endlich die Diskussion vom Hals bekommen", sagte Schenk: "Dann hat die Fifa gemerkt, dass durch den viel zu positiven Bericht (von Eckert, d. Red.) die Diskussion erst noch einmal richtig angeheizt worden ist."

"Die bösen Europäer"

Der Schaden für den Weltverband, den selbst Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke längst eingeräumt hat, "entsteht jetzt in den kommenden Monaten und vielleicht Jahren", sagte die Frankfurter Anwältin: "Wenn nicht endlich Klarheit geschaffen und gesagt wird: Da sind massiv Fehler und Verstöße passiert - das war alles ethisch nicht einwandfrei."

Die scharfe Kritik aus Europa - vor allem aus Deutschland und England - könne bei der Präsidenten-Wahl am 29. Mai 2015, bei der sich Blatter in seine dann fünfte Amtszeit wählen lassen will, allerdings nach hinten los gehen. "Das Letzte was passieren darf ist, dass sich durch überstarke Kritik aus einem Teil von Europa alle anderen Delegierten hinter Blatter scharen und sagen: Der verteidigt uns gegen die bösen Europäer", sagte Schenk: "Auf dem hohen deutschen oder englischen Ross zu sitzen, nutzt gar nichts - so ein hohes Ross haben wir da auch gar nicht."

Ein europäischer Fifa-Spitzenfunktionär scheint zudem ins Visier der Untersuchungskammer geraten zu sein. Wie die Welt berichtet, ermittelt Garcia gegen den Spanier Angel Maria Villar Llona. Der 64-Jährige ist Fifa-Vizepräsident und Präsident des spanischen Fußball-Verbandes RFEF. Auch "Chefmediziner" Michel D'Hooghe aus Belgien soll angeblich Gegenstand der von Garcia und Eckert angekündigten "formeller Verfahren gegen Einzelpersonen" sein.

Michel Platini, Präsident der Europäischen Fußball-Union (Uefa), scheint dagegen "frei" gesprochen zu sein. Der Franzose hatte öffentlich erklärt, für Katar gestimmt zu haben. Platini wurde immer wieder vorgeworfen, vermeintlich zu enge Kontakte in das Emirat zu pflegen.

(sid)
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