Winter-WM 2022 Fifa wirft mit viel Geld um sich - die Probleme aber bleiben

Die Winter-WM 2022 wirbelt den europäischen Spielkalender durcheinander. Wie sehr, wird sich erst noch zeigen. Natürlich geht es auch ums Geld. Vergessen sind alle anderen Probleme zudem nicht.

Die wichtigsten Entscheidungen des Fifa-Exekutivkomitees
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Foto: dpa, ss nic

Nach der Verlegung der Wüsten-WM 2022 in den Winter besänftigt die Fifa die Klubs mit Millionen - der deutsche Liga-Boss lässt sich aber nicht kaufen. "Die Entscheidung für Katar ist und bleibt ein großer Fehler der Fifa mit schwerwiegenden Folgen", sagte Ligapräsident Reinhard Rauball auf SID-Anfrage: "Daran ändern auch die nachträglich vorgenommenen einschneidenden Korrekturen nichts. Die wesentlichen Probleme bleiben bestehen."

Durch die Termindiskussion, die das Exekutivkomitee des Weltverbandes am Donnerstagabend mit der Bekanntgabe des Endspieldatums 18. Dezember (vierter Advent 2022) zu den Akten gelegt hatte, falle "das Thema der Menschenrechte und der unzumutbaren Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen völlig unter den Tisch", sagte der 68 Jahre alte Präsident von Borussia Dortmund: "Das ist inakzeptabel. Der Weltfußball steht in der permanenten Verpflichtung, hier deutliche Verbesserungen anzumahnen."

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Die Verlegung in den November/Dezember "erfolgt größtenteils auf dem Rücken der Ligen und der Fans in Europa", sagte Rauball: "Allerdings haben wir in den vergangenen Wochen auch zur Kenntnis genommen, dass auch bei den Verantwortlichen in Europa wenig Bereitschaft bestanden hat, für essenzielle Veränderungen zu kämpfen." Gefordert worden war nach dem Bekanntwerden der Winter-Pläne vor allem Geld - das die Fifa für mehr Ruhe wohl sehr gerne zahlt.

Bereits für die Endrunde 2018 in Russland steigen die Abstellungsgebühren an die Klubs um das dreifache auf jeweils 209 Millionen Dollar (umgerechnet 195 Millionen Euro). Für die WM 2014 in Brasilien waren 70 Millionen Dollar (65,6 Millionen Euro) ausgeschüttet worden.

Die Einigung mit der European Club Association (europäische Klubvertretung, d. Red.) über eine Zahlung von je 209 Millionen Dollar für die WM-Turniere 2018 in Russland und 2022 in Katar hat nach Aussage von Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke nichts mit der Verlegung des Turniers im Emirat in den Winter zu tun. "Ich werde niemals das Wort Kompensation in den Mund nehmen. Es ist die Fortsetzung einer Einigung, die wir schon für die Turniere 2010 und 2014 hatten", sagte Valcke

"In seriösen und fairen Verhandlungen hat sich die ECA mit der Fifa auf eine transparente wirtschaftliche und organisatorische Zusammenarbeit bis 2022 verständigt", sagte Bayern Münchens Vorstands-Boss Karl-Heinz Rummenigge, Vorsitzender der ECA. Die Klubs bekommen nun auch "Mitbestimmungsrechte bei der Gestaltung des internationalen Kalenders". Fifa-Präsident Joseph S. Blatter freute sich über einen "Riesenschritt" in der Zusammenarbeit mit den Vereinen, die noch viel zu tun haben.

Mehr englische Wochen in der Bundesliga, weniger Regeneration für die Nationalspieler, ein veränderter Modus in Champions League und DFB-Pokal - in den kommenden sieben Jahren kommt alles auf den Tisch, weil der Weltverband viel zu spät gemerkt hat, dass der Sommer in Katar zu heiß zum Fußballspielen ist.

Dauern soll die Endrunde am Persischen Golf maximal 28 Tage, drei weniger als im vergangenen Sommer in Brasilien. Das Eröffnungsspiel würde somit am 20. November stattfinden, ebenfalls ein Sonntag. Um den Nationalteams einigermaßen Zeit für die Vorbereitung zu geben, müsste die Bundesliga am 29./30. Oktober unterbrochen werden, unter der folgenden Woche könnte eventuell noch eine Runde im Europapokal gespielt werden. 2022 läuft auch bereits die Nations League der Europäischen Fußball-Union (Uefa), eine Art Mini-EM.

"Es geht um ein Jahr", sagte Fifa-Vizepräsident Jim Boyce: "Wenn wir alle zusammenarbeiten, können wir es schaffen, dass alle zufrieden sind." Es werde aber "immer irgendjemanden geben, der sich beschwert", sagte der Brite - wohl auch in Richtung seiner Landsleute.

Traditionelle Boxing Day stark gefährdet

Vor allem von der Insel war im Vorfeld gegen die Verlegung in den Winter, die seit Ende Februar faktisch feststeht, gemeutert worden. Der traditionelle Boxing Day am zweiten Weihnachtsfeiertag, der für englische Premier League Alleinstellungsmerkmal und Geldmaschine zugleich ist, bleibt auch mit einem Finale am 18. Dezember stark gefährdet.

"Die Zuschauer" aber, sagte Boyce, "werden in Katar eine wunderbare Zeit haben - zumindest vom Wetter her. Und die Spieler werden fitter sein. Wir werden damit klarkommen."

Klarkommen müssen auch die Geldgeber und Ausrüster. "Wir werden die kommenden Jahre nutzen, um uns auf diesen Zeitplan vorzubereiten", sagte adidas-Sprecher Oliver Brüggen.

Fifa überwacht WM-Baustellen in Katar selbst

Kaum Kritik gebe es inzwischen an den Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen in Katar, versicherte Blatter. "Wir haben beruhigende, positive Informationen erhalten. Katar spielt mit offenen Karten, es gibt eine Politik der offenen Tür", sagte er. Der Weltverband wird auf Bitten des Emirs wohl jemanden in das Wüstenemirat entsenden, der die Fortschritte ständig überwacht.

Ein waches Auge habe der Weltverband zwar auf Russland, Gastgeber von 2018 - mehr aber auch nicht. "Die WM wird in Russland stattfinden. Das ist sicher. Ein Boykott einer WM oder irgendeiner Sportveranstaltung führte noch nie zu einer Lösung", sagte Blatter.

(sid)
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