Furcht vor dem WM-Chaos Die Zweifel am Videobeweis werden größer

Frankfurt/Main · Nach der kuriosen Entscheidung im Bundesligaspiel zwischen Mainz 05 und dem SC Freiburg werden die Fragezeichen hinter dem Einsatz des Videobeweises bei der WM werden immer größer. Vor allem die Uefa hat Bedenken.

 Der Videobeweis steht in der Kritik.

Der Videobeweis steht in der Kritik.

Foto: dpa, dan hpl nic

Der SC Freiburg hat am Mittwoch zwar auf einen Einspruch verzichtet - doch die kuriose Videobeweisentscheidung im Bundesliga-Montagsspiel beim FSV Mainz 05 (0:2) könnte ein Vorgeschmack auf das befürchtete Chaos bei der Fußball-WM in Russland gewesen sein. Nach zahlreichen Experten bekommen es mittlerweile auch Top-Funktionäre beim Blick auf die Endrunde (14. Juni bis 15. Juli) mit der Angst zu tun.

"Ich habe einige Sorgen wegen der WM, wo Schiedsrichter eingesetzt werden, die noch nie mit dem Videobeweis zu tun hatten", sagte der slowenische Uefa-Präsident Aleksander Ceferin am Mittwoch der Gazzetta dello Sport: "Ich hoffe, dass es weder zu Skandalen, noch zu Problemen kommen wird."

Die Bedenken sorgen dafür, dass sich die Europäische Fußball-Union (Uefa) bei der Einführung des technischen Hilfsmittels Zeit lassen will. "Realistisch betrachtet, könnten wir den Videoassistenten ab der Saison 2019/20 in der Champions League und bei der EM einführen", äußerte Ceferin: "Die Einführung wird kommen. Wir dürfen aber nicht voreilig handeln."

Damit stellt Ceferin den Vorwurf des übereilten Vorgehens in Richtung des Weltverbands Fifa zumindest indirekt in den Raum. Und damit ist der Uefa-Boss nicht der einzige. Hinter vorgehaltener Hand machen selbst Bundesliga-Schiedsrichter keinen Hehl daraus, dass sie auf der größten Bühne des Weltfußballs mit großen Schwierigkeiten rechnen.

Der frühere Fifa-Schiedsrichter Bernd Heynemann brachte zuletzt auf den Punkt, was viele denken. "Schon beim Confed Cup im Sommer gab es große Probleme. Das ist auch kein Wunder. In Deutschland wurden die Unparteiischen ein Jahr lang geschult, es knirscht und knarzt trotzdem an vielen Ecken", schrieb Heynemann in seiner kicker-Kolumne: "Bei der WM kommen viele Schiedsrichter zum Einsatz, die in ihren Ligen überhaupt nichts mit dem Videobeweis zu tun haben. Und schulen kann man sie vor dem Turnier auch nicht lange und umfassend."

Die Fifa sieht das zwangsläufig anders. Schließlich hat das Council des Weltverbands um DFB-Präsident Reinhard Grindel den Einsatz des technischen Hilfsmittels, das Anfang März in das offizielle Regelwerk aufgenommen wurde, beschlossen. Gerade in dieser Woche werden in Florenz die europäischen WM-Schiedsrichter um Felix Brych (München) und die afrikanischen WM-Unparteiischen auf die Endrunde vorbereitet.

Grindel verteidigte am Mittwoch in der Nordwest-Zeitung noch einmal die Fifa-Entscheidung. "Der Videobeweis macht den Fußball gerechter", sagte der DFB-Boss: "Wie oft haben wir früher erlebt, dass der Schiedsrichter nach einem Spiel aus seiner Kabine kommt und sagt: 'Tut mir leid, ich habe die Szene jetzt noch einmal gesehen. Ich hätte anders entschieden.' Wenn wir nun technische Mittel nutzen können, um Fehlentscheidungen zu vermeiden, dann sollten wir das auch tun."

Dennoch bleibt die Kritik an der uneinheitlichen Auslegung bei der Frage, wann der Video-Assistent eingreifen darf und wann nicht. Trotz der akribischen Vorbereitung der Referees und einer "Offline-Saison" führt das in der Bundesliga nach wie vor zum Streit. Wie Schiedsrichter aus aller Welt innerhalb kurzer Zeit auf ein einheitliches Vorgehen getrimmt werden sollen, bleibt schleierhaft.

Der Ärger bei der WM scheint programmiert. Die Freiburger haben am Mittwoch zwar ausführlich ihre Kritikpunkte aufgelistet - aber von einem Einspruch abgesehen. Sollten Titelverteidiger Deutschland oder Rekord-Weltmeister Brasilien nach einem Ausscheiden aufgrund eines umstrittenen Eingreifens im Gegensatz dazu Protest einlegen, wäre das Chaos perfekt.

(sid)
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