Play-offs gegen Kroatien Fußball-Exot Island auf dem Weg zur WM

Stavanger/Reykjavik · In den Play-offs treffen die Nordeuropäer am Freitag und am Dienstag auf Kroatien mit den Kovac-Brüdern als Trainern.

 Der Name soll Programm sein: Kolbeinn Sigthorsson von Ajax Amsterdam ist der beste Angreifer der Isländer.

Der Name soll Programm sein: Kolbeinn Sigthorsson von Ajax Amsterdam ist der beste Angreifer der Isländer.

Foto: Erlend Aas

Wenn Arne Larsen Ökland mit seinem schmucken Bötchen von seiner eigenen Insel im Westen Norwegens Richtung Sonnenuntergang fährt, kommt ganz lange nichts. Irgendwann wäre er auf den Shetlands, wenn der Sprit für die Reise über die Nordsee reichen würde, dann auf den Färöern, dann an Islands steinigem Strand. Ökland, in den 1980er Jahren Stürmer beim Fußball-Bundesligisten Bayer Leverkusen und heute Generaldirektor bei Viking Stavanger, fährt zwar gern mit seinem Boot über die See, bis nach Island hat er es mit seinem bevorzugten Verkehrsmittel aber noch nicht geschafft. Er fliegt lieber dorthin. Und das zuletzt ziemlich oft.

Kleines Land, große Talente

Die Insel im Nordatlantik hat sich zu einem der interessantesten Märkte für die Einkäufer aus Fußballnationen der unteren Mittelklasse entwickelt. Das kleine Land bringt Talente in vergleichsweise großer Zahl hervor. Entscheidend für den Entwicklungsschub war der Bau von zehn Fußballhallen vor 13 Jahren. Ganzjähriges Training ist seitdem flächendeckend möglich. "Island bildet die Spieler erstklassig aus", stellt Ökland fest. Namhafte Spieler wie der frühere Stuttgarter Asgeir Sigurvinsson und Ex-Herthaner Eyjölfur Sverrisson arbeiten im Nachwuchsbereich. Wissenschaftliche Unterstützung ist selbstverständlich. Als offensivstark hat Ökland die Isländer kennengelernt. Ihre Freistöße und Eckbälle sorgen für Gefahr.

Jón Dadi Bödvarsson (21) hat Stavangers Direktor zuletzt auf dem Eiland im Nordatlantik entdeckt. Der Mittelfeldspieler folgt einer Generation, die gerade für Furore sorgt. Ajax Amsterdam holte den Torjäger Kolbeinn Sigthorsson (23), der frühere Hoffenheimer Gylfi Sigurdsson (25) spielt bei Tottenham Hotspur, Alfred Finnbogason (24) stürmt für Heerenveen. Eidur Gudjohnsen, der 2009 mit dem FC Barcelona die Champions League gewann, ist mit 35 Jahren der Alterspräsident. Er steht beim FC Brügge unter Vertrag, kommt aber nur noch selten zum Einsatz.

Im vergangenen Jahr qualifizierte sich Island erstmals für die EM der Junioren unter 21 Jahren. 2010 hatten die Junioren auf dem Weg dorthin die deutschen Altersgenossen mit Mats Hummels, Benedikt Höwedes, Marcel Schmelzer und Lars Bender in Hafnarfjördur mit 4:1 geschlagen. Und jetzt will die vom ehemaligen schwedischen Nationalcoach Lars Lagerbäck trainierte A-Mannschaft erstmals zur WM. Am Freitag empfängt sie vor 12.000 Zuschauern in Reykjavik Kroatien mit den Brüdern Niko und Robert Kovac als Trainergespann. Das Play-off-Rückspiel findet am Dienstag statt.

Schmerzlich für Ökland: Auf dem Weg in die Play-offs ließen die Isländer dessen Norweger hinter sich. Emotionaler Höhepunkt war das 4:4 nach 1:4-Rückstand in der Schweiz. Auch Island hat seitdem sein "Wunder von Bern". Ein bisschen Glück begleitete die Männer von der Vulkaninsel allerdings auch. Neben der Schweiz und Norwegen fanden sich Slowenien, Albanien und Zypern in der Qualifikationsgruppe. Nicht gerade die Crème des europäischen Fußballs.

Der Inselstaat wäre das nach Einwohnern kleinste Land, das je an einer Fußball-Weltmeisterschaft teilgenommen hat. Mit rund 320.000 Einwohnern läge es auf der Rangliste deutscher Großstädte zwischen Bonn und Bielefeld. An fleißigen Krimiautoren und Weltklasse-Handballern mangelt es auf der Insel nicht, Fußball-Euphorie ist aber neu. Das 0:0 vor zehn Jahren gegen Deutschland, das Rudi Völler zu seinem legendären Fernsehinterview mit Waldemar Hartmann animierte, war einer der wenigen Höhepunkte früherer Jahrzehnte. Die Begeisterung rund um das Spiel am Freitag übertrifft sogar die, die das Land nach dem Gewinn der Silbermedaille beim olympischen Handballturnier in Peking erfasste.

Für den Abend sind Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt angesagt. Den Isländern dürften die unwirtlichen, aber gewohnten Bedingungen besser behagen als den Gästen — und das obwohl sie fußballerisch mittlerweile vor allem unter dem Schutz des Hallendachs aufwachsen.

(RP)
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