WM-Qualifikation Fußball ist ein Lichtblick für krisengeschütteltes Kosovo

Pristina · Mitten in der Dauerkrise startet der jüngste Staat Europas erstmals in der Qualifikation einer Fußball-WM. Sportliche Erfolge könnten die Misere im Kosovo kurz vergessen machen.

Historischer Treffer: Albert Bunjaku erzielt erstes Tor für Kosovo
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Bunjaku erzielt erstes Tor für Kosovo

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Foto: dpa, gfh

Vor dem ersten Pflichtspiel der Fußball-Nationalmannschaft geht im Kosovo im Moment nichts mehr.
Sportlich hofft der jüngste europäische Staat beim Auftakt der WM-Qualifikation am Montagabend in Finnland am Montag auf Zusammenhalt, politisch präsentiert sich das Land unversöhnlich. In der vergangenen Woche musste eine wichtige Parlamentssitzung abgesagt werden, weil die Politik abgrundtief gespalten ist bis zu offenem Hass. Der Streit des fast nur von Albanern bewohnten Staates mit seinem großen serbischen Nachbarn blockiert alles: die Aussöhnung, die Annäherung an die EU, überlebenswichtige Reformen und den Kampf gegen die allmächtige Korruption.

Die Folge: Arbeitslosigkeit von weit über 50 Prozent, Löhne im Privatsektor von 360 Euro im Monat, eine zusammengebrochene Industrie. Perspektive: Null. Wer kann, geht ins Ausland. Zuletzt hatten es Zehntausende im Februar letzten Jahres in Deutschland versucht. Wegen des folgenden Ansturms von Flüchtlingen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan mussten sie alle wieder zurückkehren - sie waren "nur" wegen ihrer bitteren Armut gekommen.

Mitten in dieser Hoffnungslosigkeit gibt es aber als Lichtblick noch den Sport. "Wir brauchen noch etwas Zeit und dann wird sich das über die Jahre entwickeln", sagt Albert Bunjaku in einem Beitrag auf fifa.com zu den Perspektiven von Kosovos Kickern. Der ehemalige Bundesliga-Spieler erzielte am 13. Mai beim 2:0 gegen die Faröer das erste Länderspieltor des Kosovo. Bunjaku nahm 2010 für die Schweiz bereits an der WM in Südafrika teil, wechselte dann die Nationalität. Weitere Spieler könnten dem Beispiel des Stürmers folgen.

Neben Auftaktgegner Finnland spielt der Kosovo gegen Kroatien, Island, Ukraine und die Türkei - vier Länder, die im Sommer bei der EURO-Endrunde 2016 in Frankreich dabei waren. "Unser Ziel ist es Punkte zu sammeln und Spiele zu gewinnen. Wenn ein Team schwächelt, wollen wir da sein und das ausnutzen", sagte Bunjaku.

Früher schaute das fußballverrückte Land immer nur zum "Mutterland" Albanien, acht Jahre nach der Unabhängigkeit treten eigene Kicker auf der großen Weltbühne an. Schon allein damit wird ein Traum wahr, weil der jahrelange Kampf mit Serbien über die Mitgliedschaft Kosovos in internationalen Sportverbänden mit einem Sieg endete. Belgrad stemmte sich mit allen Mitteln dagegen - vergebens. Schon 2003 akzeptierte der Weltverband im Tischtennis sein neues Mitglied Kosovo. Ringen, Judo und andere kleinere Sportarten folgten. Der große Durchbruch wurde aber erst mit der Aufnahme ins Internationale Olympische Komitee im Dezember 2014 und vor allem in den Fußball-Weltverband FIFA in diesem Mai erreicht.

Die ersten nationalen Hochgefühle waren schon bei den Olympischen Spielen in Rio zu bewundern. Judoka Majlinda Kelmendi holte die erste Goldmedaille für das Land. Und das Schönste daran war: Der ungeliebte serbische Nachbar war bis dahin leer ausgegangen. Gegen den muss man in der Qualifikation nicht spielen. Dafür sorgte die FIFA mit der Gruppenzuteilung für das Land mit knapp zwei Millionen Einwohnern.

Was passieren kann, wenn man nicht auf politische Feindschaften achtet, bewies das abgebrochene Skandalspiel in der EM-Qualifikation Mitte Oktober 2014 zwischen Albanien und Serbien in Belgrad. Kurz vor der Halbzeit war es zu Prügeleien zwischen den Profis sowie zwischen Zuschauern und Spielern gekommen. Zuvor war eine an einer Drohne angehängte Fahne mit der Abbildung Groß-Albaniens per Fernsteuerung ins Stadion geflogen worden.

(dpa)
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