WM-Kolumne Drei Cracker zum Frühstück

Belo Horizonte und zurück: 27 Stunden mit leicht gewöhnungsbedürftiger Nahrung und ziemlich unterschiedlichen Plätzen fürs wohl verdiente Nickerchen.

 RP-Sportchef Robert Peters hat in Belo Horizonte das vielleicht beste deutsche Länderspiel der Historie gesehen.

RP-Sportchef Robert Peters hat in Belo Horizonte das vielleicht beste deutsche Länderspiel der Historie gesehen.

Foto: Phil Ninh

Der Tag beginnt um zwei Uhr. Das ist schön, so hab ich was davon. Drei Cracker und eine Flasche Wasser müssen zum Frühstück reichen, am Flughafen gibt's zum Glück auch nichts. "Zu früh", sagt die nette Dame am Counter. Verstehe ich.

Das Flugzeug fliegt trotzdem, aber ich merke nichts davon, weil ich sofort einschlafe. Um fünf Uhr landen wir in Belo Horizonte, eine Tüte Erdnüsse habe ich verschlafen. Selbst schuld. Noch zwölf Stunden bis zum Spiel, das sollte zu schaffen sein. Der Transferbus ist pünktlich, das Wetter ist prima, die Straßen sind frei. Um kurz nach sechs halten wir vor einem Fifa-Hotel in der Innenstadt. 30 hungrige Jungs, tatsächlich: alles Jungs, stürmen den Frühstücksraum. Aber auch da gibt's nichts, nur gegen Vorbestellung, die wir natürlich vergessen haben.

Jetzt darf gewählt werden: Die ganz Ausgehungerten entern 300 Meter weiter ein Café, die Fraktion der müden Kerle darf zurück in den Bus und wird mitsamt dem Fahrzeug in einer Nebenstraße abgestellt. Motor aus, Kopf ans Fenster, eingeschlafen. Um 9.30 Uhr fröhliches Wecken durch zwei brasilianische Obdachlose, die sich draußen darüber streiten, wem ein Pappkarton gehört, der als Matratze auf der Straße gedient hat. Es gibt Menschen, die es zweifellos schwerer haben. Ich schäme mich ein bisschen.

Um zehn geht's Richtung Stadion. Kurz vor elf sind wir da. Sechs Stündchen bis zum Spiel, den Anpfiff verpassen wir wahrscheinlich nicht mehr. Zum Frühstück gibt's zwei Sandwich(e?) mit nicht identifizierbarem Belag, auf der Packung steht "Hühnchen", obwohl die Dame an der Kasse hoch und heilig versichert hatte, Hühnchen sei aus. Die Rinde der Brote ist selbstverständlich entfernt, ganz sicher wieder so eine Fifa-Regel. Verstöße werden mit Länderspiel-Entzug bestraft.

Wenn ich könnte, würde ich nun alle Berichte bis zum Ende der WM schreiben, aber leider war das Spiel noch nicht. Also reicht's nur zu einem Tagebuch. Ich schaffe es tatsächlich rechtzeitig zum Anpfiff auf meinen Platz. Fußball ist mal eine schöne Abwechslung.

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Foto: Kiosko.net

Der kleine Computer, der mich hier so brav begleitet, wird auf der Tribüne beim Spiel schön warmgeschrieben, und er muss auch nachher im Bienenkorb des Medienzentrums was aushalten. Zum Abendessen gibt's wieder ein Sandwich, das genau so teuer ist wie zwei 30 Zentimeter lange Fleischspieße vom Grillstand auf der Straße und in Fragen des Geschmacks deutlich dahinter zurückbleibt. Bis halb zwölf sind wir kaserniert im leerer werdenden Saal unter den Tribünen. Dann pilgern wir zurück zum Bus.

Der Kopf klatscht dankbar ans Fenster. Das Flugzeug in die Wahlheimat Porto Seguro hebt um 2 Uhr ab. Ich bekomme keinen Fensterplatz, trotzdem falle ich sofort in Ohnmacht und werde nur wach, wenn der Kopf zu heftig pendelt. Um halb vier hat uns die Erde wieder, weil noch durchgestartet werden muss wegen heftiger Regenfälle. Um halb fünf bin ich im Hotelzimmer.

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Hinter mir liegen 1000 Flugkilometer, drei Sandwiche (liest sich blöd, heißt aber so, wie ich inzwischen weiß), ein paar Cracker, viel Wasser und Cola, drei Bustouren, zwei Autofahrten, rund 700 Zeilen für Zeitung und Online-Ausgabe, 26,5 Stunden meines Lebens und (ach ja) ein Fußballspiel, das ich nicht vergessen werde.

(RP)
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