Fußball-WM im Winter? Platinis Visionen

Michel Platini lässt nicht locker. Der französische Uefa-Präsident kämpft weiterhin für eine Verlegung der WM 2022 in den Winter. Ganz uneigennützig ist das nicht.

Fußball-EM 2024 in Deutschland: die Stadien und Spielorte
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EM 2024 - Stadien und Spielorte in Deutschland

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Foto: dpa/Alexander Hassenstein

Katar erwartet bestes Fußball-Wetter. Nur fünf Prozent Regenwahrscheinlichkeit, eine angenehme Brise vom Persischen Golf, gut neun Sonnenstunden, 17 bis 24 Grad. Es wäre der perfekte Moment, mit einer WM zu beginnen. Doch es gibt ein Problem: Die Prognose bezieht sich auf den Tag des Jahreswechsels. Einen Wintertag. Im fürchterlich heißen Sommer sieht es rund um Doha anders aus, bis zu 55 Grad können es werden - wer die klimatisierten Malls verlässt, den trifft fast der Schlag.

Katar plus Nachbarn?

Dennoch hat Katar den Zuschlag für die WM 2022 erhalten, auch Michel Platini hat für das Emirat gestimmt. Doch irgendwie scheint er damit nicht (mehr) glücklich zu sein. Jetzt kämpft der Präsident der Europäischen Fußball-Union (Uefa) für eine Verlegung des Turniers in den Winter. "Das wäre eine richtig gute Sache", sagte Platini am Freitag als Eröffnungsredner der 7. International Sports Conference in Dubai, "alle würden davon profitieren." Und, wenn man schon mal dabei ist: "Einige Nachbarn" am Persischen Golf könnten doch auch Spiele ausrichten.

Im "November und Dezember 2022" würde der Franzose Platini die WM gerne ausgetragen sehen, das wäre nicht weniger als eine Revolution. Nie begann eine WM nach dem 27. Mai (1934), nie endete sie nach dem 30. Juli (1966), die großen Ligen spielen normalerweise bis kurz vor Weihnachten. Im Januar aber kann nicht gespielt werden: Die WM und die Olympischen Winterspiele 2022 dürfen sich nicht in direkte Konkurrenz begeben.

Erst Europa-EM, dann Winter-WM?

Doch Platini scheut die Diskussion nicht, mit Revolutionen kennt er sich aus. Gerade erst hat er bei der Uefa seine "Europa-EM" durchgedrückt, eine EM, die auf 12 oder 13 Metropolen auf dem gesamten Kontinent verteilt wird. Und er hat das Wohl des Fußballs im Blick, er gibt auch beizeiten gerne den Anwalt des gemeinen Fans, dem der Zuschlag an Katar ohnehin irrsinnig erscheint.

Pikant in diesem Zusammenhang ist nur, dass Platinis Sohn Laurent Europa-Chef der QSI ist. Die Qatar Sports Investment Group, ein Zweig der milliardenschweren staatlichen Qatar Investment Authority (QIA), treibt mit Unsummen den Plan voran, einen Kleinstaat mit 1,7 Millionen Einwohnern zum Zentrum des Weltsports zu erheben.

Platini auf Augenhöhe mit Blatter

Der bisher beste Plan des Emirats sieht vor, alle Stadien mit enormem Aufwand herunterzukühlen, damit es kein zweites "Mexiko" gibt. 1986 musste dort in der glühenden Mittagshitze gespielt werden, um in Europa live am Abend übertragen zu können, zur besten Sendezeit. "Der Fußball bringt sehr viel Geld ein, aber wir müssen ihn auch schützen", sagte Platini. Dann ging er. Nach ihm standen in Dubai noch Jose Mourinho und Diego Maradona am Mikrofon.

Platini, früher ein Genie am Ball, hat sich in den vergangenen Monaten immer wieder positioniert, meistens so, dass er Fifa-Präsident Joseph S. Blatter Auge in Auge gegenübersteht. So war es bei der Torlinien-Technik, die Blatter liebt, Platini aber verabscheut, und so ist es auch jetzt. Als er über die Möglichkeit sprach, dass Katar weitere Golfstaaten in die WM 2022 einbeziehen könnte, sagte Platini, man müsse den Gastgeber fragen - oder den künftigen Fifa-Präsidenten.

Und der könnte Platini selbst sein. Interesse hat er auf jeden Fall. Populäre Themen schaden in diesem Zusammenhang nicht, die WM-Vergabe wird schließlich von Verschwörungstheorien und Bestechungsvorwürfen begleitet. Es wäre ja "gut", wenn Katar die Stadien abkühle, sagte der 57-Jährige, aber das größte Sportereignis der Welt solle doch besser "im geeigneten Moment" über die Bühne gehen. Also dann, wenn es nicht brüllend heiß ist.

Katar lässt das kalt. Das Emirat bewirbt sich lieber intensiv um Olympia 2024. Sommerspiele, wohlgemerkt.

(sid)
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