Die Spur führt zum Kaiser Erinnerungslücken erschweren die Aufklärung

Frankfurt/M. · Rainer Koch findet, dass alles gar nicht so schrecklich kompliziert sei. Die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer hat auf 361 Seiten in ihrem Abschlussbericht versucht aufzuzeigen, was mit 6,7 Millionen Euro passiert ist, die vor der Weltmeisterschaft 2006 vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) gezahlt wurden.

WM-Affäre: die Protagonisten
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Koch, Interimspräsident des größten Sportfachverbands der Welt, sagt, man könne den Sachverhalt aber auch ganz einfach in zehn Sekunden erklären. Und dann fängt er an zu reden — erwartungsgemäß hat er sich mit seiner Zeitvorstellung ein klitzeklein wenig verschätzt. Nach rund eineinhalb Stunden ist die Vorstellung der Ermittlungen beendet, und hernach sind noch immer nicht alle offenen Fragen beantwortet. Vor allem die wichtigste nicht: Wurde mit dem Geld bestochen, um die WM nach Deutschland zu holen?

"Unser Auftrag war, alle Fakten aufzuzeigen"

Es gibt dafür Indizien. "Aber da müssten spekulieren", sagt Christian Duve von der vom DFB beauftragten Kanzlei. "Unser Auftrag war, alle Fakten aufzuzeigen." Es habe allerdings auch erhebliche Schwierigkeiten bei den Ermittlungen gegeben. "Die beim DFB auffindbaren Unterlagen waren nicht vollständig. Ein Ordner zu Vorgängen, welche die Fifa im Jahr 2000 betreffen sollten, wurde allem Anschein nach im Juni 2015 ausgeliehen und konnte nicht mehr gefunden werden", steht im Bericht. Wer den Ordner entliehen hat, darüber wollte Duve keine Auskunft geben. Nach Informationen dieser Zeitung handelt es sich um die persönliche Sekretärin des ehemaligen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach. Sie soll sich auf Anfrage nicht mehr an den Vorgang erinnert haben können. Auf ähnliche Erinnerungslücken ist Freshfields einige Male gestoßen.

Erkenntnisse überschaubar

Was die Ermittler belegen können, ist recht überschaubar und deckt sich weitestgehend mit dem Bericht des Nachrichtenmagazins "Spiegel", der die Affäre aufgedeckt hatte. Zwischen Mai und Juli 2002, also nach dem WM-Zuschlag für Deutschland, sind in vier Tranchen sechs Millionen Schweizer Franken über ein Konto von Franz Beckenbauer, der zentralen Figur im Bericht, und seines damaligen Beraters Robert Schwan an die Schweizer Kanzlei Gabriel & Müller geflossen. Dieser Betrag soll weiter an das Konto einer Gesellschaft in Katar gegangen sein, deren einziger Anteilseigner der mittlerweile lebenslang gesperrte Ex-Fifa-Funktionär Mohamed bin Hammam war. Im August 2002 streckte dann der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus offensichtlich dem WM-OK ebenso wie Beckenbauer Geld vor und überwies zehn Millionen Franken (6,7 Millionen Euro) auf das Konto der Juristen Gabriel & Müller. Von dort gingen sechs Millionen auf das Beckenbauer-Konto zurück und vier weitere Millionen nach Katar. Bin Hammam bestreitet, das Geld bekommen zu haben. Nach Auskunft seines Anwalts war Beckenbauer überrascht "über die gewonnenen Erkenntnisse, die aber seine bisherige Erinnerung durchaus zutreffend ergänzen".

Bin Hammam war damals Vorsitzender der Fifa-Finanzkommission. Er steht unter Verdacht, die Zuwendungen an asiatische WM-Wahlmänner weitergereicht zu haben. Das Geld könnte allerdings auch verwendet worden sein, um den Wahlkampf 2002 des mittlerweile ebenfalls gesperrten Fifa-Präsidenten Sepp Blatter zu unterstützen. Die Beschuldigten haben dies bislang bestritten.

6,7 Millionen Euro

Laut Freshfields-Bericht zahlte der Verband am 27. April 2005 6,7 Millionen Euro mit dem falschen Verwendungszweck "Kostenbeteiligung OK an Fifa Football Gala" an den Weltverband. Von dort ging es an Louis-Dreyfus zurück. Es sei ein Zahlungsvorgang, der "zehn Jahre verheimlicht und zehn Monate beschönigt" worden sei, befindet Koch: "Es ist ein völliges Versagen der internen DFB-Kontrollgremien. Das darf sich auf keinen Umständen wiederholen." Neben ihm auf dem Podium sitzen Reinhard Grindel, der designierte DFB-Präsident, und Liga-Präsident Reinhard Rauball und nicken eifrig. Grindel findet, man solle eine Ethikkommission einrichten und Wirtschaftsberichte veröffentlichen, um künftig Transparenz zu schaffen.

Über die Zukunft von Niersbach, der nach seinem Rücktritt den Verband noch bei der Fifa und Uefa vertritt, soll bis zum Bundestag am 15. April entschieden werden. Es gilt als sicher, dass sein Rücktritt gefordert wird, weil er das Präsidium über Monate im Unklaren gelassen hat. Die Ermittlungen von Frehsfields sind mit der Vorstellung des Abschlussberichts noch nicht beendet. "Der rechtliche Bewertungsteil fehlt noch", sagt Koch. Es müsse noch geklärt werden, ob, und wenn ja welche Ansprüche des Verbandes zu verfolgen sind: "Dies ist Bestandteil des Auftrages."

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