Team-Porträt: Belgien Belgiens Goldene Generation ist Geheimfavorit

Düsseldorf · Rückkehr der Roten Teufel: 30 Jahre nach den Höhepunkten der belgischen Fußball-Geschichte ist wieder eine goldene Generation herangereift. Torhüter-Ikone Jean-Marie Pfaff hofft sogar auf den WM-Titel.

 Die junge Mannschaft Belgiens könnte in Brasilien für eine große Überraschung sorgen.

Die junge Mannschaft Belgiens könnte in Brasilien für eine große Überraschung sorgen.

Foto: dpa, Olivier Hoslet

Jean-Marie Pfaff hat die größten Zeiten des belgischen Fußballs erlebt, er stand im EM-Finale 1980, er stand im WM-Halbfinale 1986. Fast 30 Jahre lang haben die Roten Teufel seitdem kaum etwas zustande gebracht - doch die neue Goldene Generation, da ist sich der ehemalige Bayern-Torhüter sicher, wird das ändern. "Wer Weltmeister wird? Hinter Belgien? Na, Deutschland!", sagte Pfaff im SID-Gespräch: "Unsere Mannschaft ist dermaßen stark, wir müssen ins Halbfinale kommen. Und dann ist alles möglich."

Pfaff, 61-maliger Nationalspieler, steht exemplarisch für die Euphorie in ganz Belgien. Flamen wie Wallonen sind angesichts der Rückkehr der Roten Teufel in seltener Eintracht begeistert. "Welch ein Luxus", schwärmt Pfaff, "wir haben auf jeder Position vier gute Spieler. Und wenn man sieht, wo die überall spielen! In Spanien, in England, Italien. Es läuft in Belgien super. Wir sind auf dem Weg zu Erfolgen wie in den 80er Jahren." Wie mit Pfaff.

Marouane Fellaini, der Mann mit der Frisur wie ein explodiertes Vogelnest, ist im September für 32 Millionen Euro zu Manchester United gewechselt. Eden Hazard (FC Chelsea) ist 45 Millionen wert, für Axel Witsel hat Zenit St. Petersburg 40 Millionen Euro ausgegeben. Simon Mignolet ist ein überragender Stammtorhüter beim FC Liverpool, aber (noch) nicht bei der Nationalmannschaft, denn das ist Thibaut Courtois - Nummer eins des spanischen Meisters und Champions-League-Finalisten Atletico Madrid.

Hinzu kommen das Sturm-Supertalent Romelu Lukaku (FC Everton, ausgeliehen vom FC Chelsea), Vincent Kompany, Abwehrchef und Kapitän von Manchester City, Kevin de Bruyne (VfL Wolfsburg), der allerdings verletzte Christian Benteke (Aston Villa/Achillessehnenriss). Das Portal transfermarkt.de schätzt die Top 25 auf einen Marktwert von mehr als 350 Millionen Euro. "Wahrlich eine goldene Generation - Marc Wilmots hat großes Glück", sagt Pfaff.

Marc Wilmots, einst einer der Schalker "Eurofighter", ist Nationaltrainer, und nebenher, wie passend, Politiker bei der liberalen Partei "Mouvement Reformateur" ("Reformbewegung"). Wo frühere Nationaltrainer verzweifelt nach fähigen Spielern suchten, muss Wilmots eine Fülle von Stars bei Laune halten. Die Roten Teufel sind in der Gruppe A der WM-Qualifikation durchmarschiert, das Wort Geheimfavorit scheint ihnen fast nicht mehr gerecht zu werden.

Wilmots sieht seine Aufgabe aber ohnehin tiefergehend, auch außersportlich. "Jedes Spiel ist ausverkauft, es ist magisch", sagt der Ex-Nationalspieler. "Ich verteidige unsere belgische Flagge. Wir tragen die Farben eines Landes mit drei Amtssprachen, das kulturell interessant ist. All die Spieler, die im Ausland leben, kommen hier nicht des Geldes wegen zusammen, sondern weil sie Werte leben:
Solidarität, Ehrlichkeit und Respekt."

Die Nationalmannschaft, "Les Diables Rouges", eine "Mannschaft wirklicher Krieger" (Fellaini), sie ist eine einende Klammer. "Ich hätte nie gedacht, dass wir irgendwann gemeinsam die Nationalhymne singen", sagt Wilmots, "aber wir tun es. Die Politiker trennen, wir vereinen."

Dieser Effekt wird sich deutlich verstärken, sollte Pfaffs Prognose eintreffen. "Belgien ist das heißeste Versprechen im europäischen Fußball. Der Geist ist heute wie früher: Die anderen haben Angst vor uns!", sagt Pfaff.

"L'union fait la force", sagen sie in Belgien - Einigkeit macht stark.

(sid)
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