WM in Brasilien Titellos — Europa und der Südamerika-Fluch

Sao Paulo · Fluch oder Zufall? Noch nie gewannen Europäer ein WM-Turnier in Amerika. Eine akribische Vorbereitung, rasche Akklimatisation und eine gelassene Sicht der Dinge sollen helfen, den Trend in Brasilien zu brechen.

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Sieben Turniere, fünf Finalteilnahmen, null Titel. Die Bilanz europäischer Teams bei Fußball-Weltmeisterschaften in Amerika ist ernüchternd - und macht wenig Mut für Brasilien. Glaubt man den Prognosen zahlreicher Experten, hält dieser Fluch auch bei der Endrunde 2014 an. Damit sich Geschichte nicht wiederholt, sind vor allem Anpassungsfähigkeit und Spielintelligenz gefragt. "Es wird schon eine andere Art von Fußball sein, als wir es in Europa kennen", glaubt der deutsche Mittelfeldspieler Bastian Schweinsteiger, "keine Mannschaft wird in der Lage sein, 90 Minuten ein irres Tempo zu gehen."

Bisher kehrten die Europäer von den bisherigen Expeditionen in die Neue Welt stets mit leeren Händen zurück. Immerhin gelang den Tschechoslowaken (1962), Italienern (1970/1994), Niederländern (1978) und Deutschen (1986) der Finaleinzug. Doch die Titel gingen an Brasilien (1962/1970/1994), Argentinien (1978/1986) und Uruguay (1930/1950).

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Die Chance, dass dieser Trend anhält, ist zumindest statistisch gesehen größer denn je: Erstmals in der WM-Historie sind sechs Teams aus Südamerika bei einer Endrunde dabei. Und die sind mit den klimatischen Verhältnissen bestens vertraut: "Gerade die Hitze im Norden wird ein Vorteil für uns Südamerikaner sein", prognostizierte Brasiliens Abwehrspieler Dante (FC Bayern).

Nicht das tun, was man zu Hause tut

Die Erfolglosigkeit europäischer Mannschaften jenseits des Atlantiks veranlasste Urs Siegenthaler zu einer akribischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen. Bis zurück in die 70er Jahre analysierte der Berater von Bundestrainer Joachim Löw die WM-Halbfinalspiele und studierte Matchberichte. "Mein Empfinden ist, dass sich die Europäer mit ihrer ureigenen Spielweise verwirklichen wollten in Südamerika", sagte er der "Frankfurter Rundschau".

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Aus dieser Erkenntnis leitete der Schweizer die Empfehlung ab, "dass man besser nicht stur das umsetzen sollte, was man zu Hause tut. Im Norden von Brasilien ist es nicht ratsam, sich ein Haus mit einer großen Fensterfront zur Sonnenseite zu bauen, auch wenn man das vielleicht am Schönsten findet und es in Mitteleuropa auch so bauen kann." Vor den Gruppenspielen gegen Portugal, Ghana und die USA in tropischen Gefilden riet Siegenthaler den deutschen Profis, mit den Kräften zu haushalten. "Der Verschleiß in Salvador, Fortaleza und Recife ist sehr hoch." Immerhin könnte sich die DFB-Elf im Falle eines Gruppensieges in die kühlere Südhälfte des Landes verabschieden.

Neben dem Klima werden die Reisestrapazen eine große Rolle spielen. So müssen die US-Profis allein in der Vorrunde 18 000 Flugmeilen absolvieren. Nicht zuletzt deshalb schwor der deutsche US-Coach Jürgen Klinsmann seine Schützlinge auf ein hohes Maß an Gelassenheit ein: "Brasilien wird eine WM der Toleranz. Wer wegen Kleinigkeiten rumheult, wird Probleme bekommen."

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Bundestrainer Löw, der im letzten Gruppenspiel am 26. Juni auf seinen einstigen DFB-Weggefährten trifft, sieht es ähnlich: "Entscheidend wird sein, welche Mannschaft sich am besten auf diese Bedingungen in Südamerika einstellen kann. Lange Reisen, Zeitunterschiede, verschiedene klimatische Verhältnisse. Für Europäer sind das andere Bedingungen, wir kennen das nicht im Detail."

Den schwierigen Gegebenheiten zum Trotz werden nicht nur Teams wie Brasilien und Argentinien hoch gehandelt. So hält es der Brasilianer Cacau für "durchaus möglich", dass der Amerika-Fluch der Europäer in den kommenden Wochen zu Ende geht: "Die Deutschen sind immer ein Kandidat, aber auch Spanien und Italien würde ich es zutrauen", sagte der ehemalige VfB-Profi dem "Kicker". Ein ermutigendes Indiz: Bei der vorigen WM in Südafrika gelang den Spaniern der erste Triumph einer europäischen Mannschaft außerhalb des eigenen Kontinents.

(dpa)
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