Ein Toter bei Ausschreitungen Vor der WM: Krawalle in Rio de Janeiro

Rio de Janeiro · Gewalttätige Ausschreitungen erschüttern nun auch Rio de Janeiro, das Zentrum der Fußball-Weltmeisterschaft. Bei wütenden Protesten nach dem Tod eines Favelabewohners wurde ein Demonstrant erschossen.

Ein Toter bei Unruhen in Rio de Janeiro
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Ein Toter bei Unruhen in Rio de Janeiro

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Seit Wochen arbeiten Gerüstbauer in Rio de Janeiro mit Hochdruck an einer beeindruckenden Metallkonstruktion am Ende der Strandpromenade an der Copacabana. Es entstehen direkt über der sechsspurigen Avenida Atlantica, einer der wichtigsten Verkehrsachsen der Stadt, mehrere improvisierte TV-Studios.

Soldaten sichern deutschen WM-Spielort Salvador da Bahía
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Von hier aus gibt es einen atemberaubenden Panoramablick mit Zuckerhut, Strand und Luxushotels, der in die Wohnzimmer der Welt transportiert wird. Doch nur ein paar Blocks hinter der beeindruckenden Fassade rumort es. In der Nacht zum Mittwoch kam es zu schweren Ausschreitungen. Aus Wut über den Tod eines Favelabewohners hatten junge Männer selbst gebaute Sprengsätze auf eine belebte Straße geschleudert. Wenig später flogen Flaschen und brannten die ersten Feuer. Schnell eskalieren solche Proteste zu tödlichen Ausschreitungen. Auch diesmal traf eine Kugel einen Demonstranten tödlich. Geschockte französische Touristen sind laut brasilianischen Medien in die Ausschreitungen geraten, blieben aber unverletzt. "Panik in Copacabana" schreibt Rios Zeitung "Oglobo", am Tag danach bilden sich Menschentrauben vor den Titelseiten an den Kiosken.

Die Bilder, die derzeit aus dem WM-Gastgeberland Brasilien in den Rest der Welt transportiert werden, lassen rund 50 Tage vor Beginn des Turniers nichts Gutes erahnen. Trotzdem: Der Bürgerkrieg ist unter dem Zuckerhut noch nicht ausgebrochen, auch wenn die gewalttätigen Ausschreitungen das vor allem bei Touristen populäre Viertel Copacabana mit seinem gleichnamigen weltberühmten Strand erreicht haben. Brasiliens linksgerichtete Präsidentin Dilma Rousseff hat sich vor Jahren bereits auf eine Politik der militärischen Härte festgelegt. Von Drogengangs beherrschte Favelas wurden in gezielten Polizeiaktionen "befriedet", wie es im offiziellen Jargon heißt. Die Säuberungsaktionen wurden jeweils vorher angekündigt, oft wurden so Schusswechsel vermieden. Als die Spezialkräfte eintrafen, waren die Gangs schon verschwunden. Doch im Land mehrt sich die Kritik an dieser Vorgehensweise: Immer wieder gibt es in den von den "Militärs" besetzten Favelas Berichte über Polizeigewalt. Zudem wurden die Probleme aus den "befriedeten" Favelas durch die Säuberungsaktionen nicht beseitigt, sondern nur auf andere Stadtteile verlagert.

Eine Tour durch Rios Favelas
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Seit Tagen kommt es nun in der Endspielstadt der WM, in der 2016 auch die Olympischen Spiele stattfinden, immer wieder zu kleineren Scharmützeln zwischen Polizei und Favelabewohnern. General Roberto Escoto, der eine Gruppe von 2000 Soldaten befehligt, die zuvor bei einer UN-Mission in Haiti stationiert waren und nun im Viertel Mare gleich neben dem Flughafen für Sicherheit sorgen sollen, nahm vor Medienvertretern kein Blatt vor den Mund: "Die kriminellen Vereinigungen in der Mare sind wesentlich zahlreicher und besser bewaffnet als die Gangs in Haiti."

Die Spielorte der Fußball-WM 2014
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Die Spielorte der Fußball-WM 2014

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Foto: AFP

Ob die vereinzelten Gewaltausbrüche nur die Vorboten von in einem vertraulichen Dossier der Regierung befürchteten schweren Ausschreitungen der Protestbewegung während der WM sind oder nur Momentaufnahmen, mag in Brasilien niemand voraussagen.

Unmittelbar vor Rios moderner Kathedrale haben vertriebene Favelabewohner ihr Lager aufgeschlagen. "Die Weltmeisterschaft hat uns nichts gebracht, keine Arbeitsplätze und keine Perspektive", sagt Campbewohner Rodrigo Moreiro. Seine Mitbewohner haben mit weißer Kreide das Motto der WM-Gegner auf den Asphalt gemalt: "Es wird keine WM geben", steht da zu lesen.

(RP)
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