WM 2014 Baustelle Brasilien

Rio De Janeiro · Bis zum Eröffnungsspiel sind es nur noch 100 Tage. Doch das Gastgeberland ringt immer noch mit seinen Problemen.

 100 Tage vor dem Eröffnungsspiel der WM gibt es noch viele Baustellen in Brasilien.

100 Tage vor dem Eröffnungsspiel der WM gibt es noch viele Baustellen in Brasilien.

Foto: ap

Wenn am Abend des 12. Juni Gastgeber Brasilien die WM-Endrunde gegen Kroatien in Sao Paulo eröffnet, sollte im ganzen Land eigentlich ein riesiges Fußballfest losgehen, das bis zum Finale am 13. Juli im Maracana-Stadion von Rio de Janeiro dauert. Doch gut drei Monate vor dem WM-Beginn ringt Brasilien noch immer mit sich. Wenig spricht dafür, dass sich daran in den verbleibenden 100 Tagen etwas ändert.

Der Fifa bereiten vor allem die zum Teil erheblichen Verzögerungen beim Bau von Stadien und Verkehrswegen Sorgen. Die brasilianische Bevölkerung hingegen wehrt sich gegen Gigantismus und mangelnde Nachhaltigkeit. Eine Umfrage des renommierten Meinungsforschungsinstituts Datafolha ergab jüngst, dass nur noch rund die Hälfte der Brasilianer für die WM ist. Zum Vergleich: 2008 lag die Zustimmung noch bei fast 80 Prozent.

Besonders seit dem Confederations Cup im vergangenen Jahr, den Brasilien souverän gewann, hat die Begeisterung über die WM in der eigentlich fußballverrückten Nation rapide abgenommen. Grund dafür sind die immer stärker zu Tage tretenden Missstände in Brasilien, das zwar schon seit Jahrzehnten als Land der Zukunft gehandelt wird, aber einmal mehr nicht in dieser anzukommen scheint.

Nachdem die Wirtschaft und mit ihr die Mittelschicht im vergangenen Jahrzehnt unter dem linksgerichteten Präsident Lula da Silva wundersam wuchs, hat sich die Konjunktur unter seiner ebenfalls linksgerichteten Nachfolgerin Dilma Rousseff kräftig abgekühlt. Da Brasilien vor allem Rohstoffe exportiert, ist das Land stark von den schwankenden Weltmarktpreisen abhängig. Lulas soziale Transfer-Programme für die arme Bevölkerung hat Dilma fortgesetzt, was zwar die Binnennachfrage angekurbelt hat, aber eine hohe Belastung für den Staatshaushalt darstellt. Hinzu kommt, dass das Vertrauen in die politische Klasse nach wie vor gering ist — immer wieder gibt es Korruptionsfälle, weil Wirtschaft und Politik eng miteinander verflochten sind.

Demonstranten kritisieren schlechte Infrastruktur

Hauptkritikpunkt der Demonstranten, die vor, während und nach dem Confed Cup zu Millionen auf die Straße gingen, war die schlechte soziale und bauliche Infrastruktur. Es fehlt trotz hoher Steuerzahlungen an Plätzen in öffentlichen Krankenhäusern, Schulen und Universitäten für die Teile der Bevölkerung, die sich keine private Absicherung oder Bildung leisten können, moniert die aufstrebende Mittelschicht. Die Folge sei, dass sich die Sicherheitslage rund um die Favelas genannten Armenviertel nicht bessert, auch wenn der Staat sich mit kosmetischen Reparaturen bemüht habe, diese zur WM zu befrieden. Auch der Zustand von Straßen, Plätzen und öffentlichem Nahverkehr wird stets kritisiert. Vor allem Letzter ist für ein Land dieser Größe mit seinen vielen Mega-Städten nicht ausreichend: Es fehlt an U-Bahnen, Zügen und Bussen.

Hinzu kommt, dass die Kosten für die zwölf Stadien, die nach der WM teils gar nicht in den entstandenen Dimensionen gebraucht werden, und die damit verbundene Infrastruktur enorm sind und aufgrund der Unfälle sowie erheblicher Verzögerungen beim Bau weiter steigen. So rechnet die Fifa damit, dass die riesige Arena von Sao Paulo erst wenige Wochen vor dem Anpfiff des Eröffnungsspiels fertig ist. Das Stadion von Curitiba soll trotz Drohungen der Fifa erst Mitte Mai fertig sein. Auch viele große Verkehrsprojekte wie Kreuzfahrt-Terminals, Flughäfen und Eisenbahn-Linien werden erst nach der WM fertig — vor allem die Olympia-Stadt Rio wird bis mindestens 2016 eine Baustelle bleiben.

Ob die friedlichen Demonstrationen, die in vielen Städten zurzeit wieder laufen, zum gewaltsamen Massenprotest anschwellen, hängt vor allem vom Umgang der Sicherheitsbehörden mit den Bürgern ab, die wenige Monate nach der WM über das Schicksal ihrer Präsidentin abstimmen werden.

(RP)
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