Affäre um WM-Vergabe 2006 Image von "Lichtgestalt" Beckenbauer arg angekratzt

Frankfurt/Main · Es gab Zeiten, da war Franz Beckenbauer sakrosankt. Der Kaiser konnte machen, was er wollte. Was er anfasste, wurde ein Erfolg. Jetzt steht Beckenbauer im Zwielicht und ist eine zentrale Figur des deutschen WM-Skandals. Den Funktionärssumpf konnte er nicht umdribbeln.

Der Geldfluss vor der WM 2006
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Auf dem Fußballplatz hätte Franz Beckenbauer sich den Ball geschnappt, den Gegner mit hocherhobenem Kopf ins Leere laufen lassen und mit einem klugen Pass einen eigenen Angriff eingeleitet. Seine genialen Instinkte, die ihn nach dem Profileben auch noch erfolgreich durch seine Karriere als Teamchef, Funktionär und Geschäftsmann führten, nutzen dem Kaiser derzeit nichts mehr.

Beckenbauer schwieg am Freitag zunächst erstmal wieder. So wie er es getan hatte, als nach und nach seine Verwicklungen in zweifelhafte Praktiken der von ihm geführten deutschen WM-Organisatoren publik wurden. Und wie er es auch meist getan hatte, als seine Rolle als Fifa-Wahlmann der WM-Turniere 2018 und 2022 ins Zwielicht geriet.

WM-Affäre: die Protagonisten
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Erst nach einer Schonfrist meldete sich der 70-Jährige immer zu Wort und wies alle Vorwürfe in seiner bayerisch-nonchalanten Art zurück. Ein solches Statement steht nach dem Freshfields-Bericht noch aus. Krumme Deals, Hinterzimmer-Geschäfte - nein, nicht mit ihm, so lautete die Standardphrase. Und: All das Gerede über Korruption und Bestechung habe ihn vor Jahren nicht interessiert, und heute sowieso nicht, wie er es in seinem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" im November 2015 formulierte. Blanko-Unterschriften im Dutzend habe er ausgestellt. Wenn er alle Papier gelesen hätte, wäre er heute noch beschäftigt, meinte der Kaiser.

Der Freshfields-Bericht hat neue Fragen aufgeworfen zur Rolle Beckenbauers im Sommermärchen-Skandal. Die Wirtschaftsexperten können sie nicht beantworten, aber dokumentiert ist, dass Millionen flossen von einem Konto Beckenbauers an ein Konto in der Schweiz. Von dort sollen Millionen Richtung Katar gegangen sein, Richtung Mohamed bin Hammam, der skandalumwitterten Figur aus dem umstrittenen WM-Gastgeberland 2022.

Die Vorwürfe werden Beckenbauer juristisch wohl nicht in Bedrängnis bringen können, doch sie kratzen erheblich am Image der Lichtgestalt. Beckenbauer war Akteur im über Jahrzehnte kultivierten Sumpf der Fußball-Funktionärswelt - nicht einmal er konnte ihn Kraft seines Namens umdribbeln. Der Preis für die WM-Gastgeberrolle 2006 war hoch, doch Beckenbauer zahlte ihn offenbar ohne größere moralische Skrupel.

Auch seine Rolle als Fifa-Funktionär passt in dieses Schema. Die Fifa-Ethikhüter verurteilten ihn kürzlich zu einer Zahlung von 7000 Schweizer Franken, weil er bei den Ermittlungen zur WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022 zunächst nicht den Regeln entsprechend kooperierte - erst nach Extra-Aufforderung sprach.

Beckenbauers Entschuldigung, als die Ermittlungen gegen ihn bekannt wurden und eine provisorische Sperre mitten im WM-Sommer 2014 einbrachten, klingen kurios. Er habe die Fragen nicht verstanden, da sie auf Englisch formuliert waren. Der polyglotte Supermann, der einst bei Cosmos New York ein Leben als bajuwarischer Boheme führte, versteht kein Englisch? Kaum glaubhaft urteilte die Weltpresse, kaum möglich urteilten die Fifa-Ethikhüter. Nun gibt es viele neue Fragen an die Lichtgestalt.

(dpa)
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