WM-Botschafter teilt aus Ronaldo kritisiert brasilianische Regierung

Sao Paulo · Brasiliens Fußball-Idol und WM-Botschafter Ronaldo platzt der Kragen: Vor allem die Regierung sowie die gewaltbereiten Demonstranten bekommen ihr Fett weg.

 WM-Botschafter Ronaldo spricht Klartext.

WM-Botschafter Ronaldo spricht Klartext.

Foto: afp, chs/pa

Die Hemdsärmel hatte Ronaldo bis zum Ellbogen hochgekrempelt, seine Miene war ungewohnt ernst, in seiner Stimme schwang hörbar der Wille mit, sich den Frust von der Seele zu reden. Dann teilte das brasilianische Fußball-Idol, zugleich Botschafter der WM in seinem Heimatland (12. Juni bis 13. Juli), so richtig aus. "Ich kann nicht einfach stillschweigend ständig Prügel einstecken", sagte Ronaldo und redete dann bei einer Fragestunde mit Journalisten der Tageszeitung Folha de Sao Paulo eineinhalb Stunden lang Klartext.

Schon in der vergangenen Woche hatte Ronaldo sich geäußert, jetzt legte er noch einmal kräftig nach. Die Stadien seien "mehr schlecht als recht" fertig, sagte er. Und was sei mit dem groß angekündigten Vermächtnis, mit den Flughäfen, der Infrastruktur, der städtischen Mobilität, fragte er ketzerisch - und gab die Antwort gleich selbst. "Nur 30 Prozent" der Vorhaben seien bisher realisiert worden, teilte "O Fenomeno" mit, "wir verpassen hier eine Chance", schimpfte er und sagte: Das Volk werde den "meisten Schaden" davontragen.

Ins Kreuzfeuer von Ronaldo geriet vor allem die brasilianische Regierung. "Ich denke, dass es an Planung fehlte", bemängelte er. Das Land sei ja schon 2007 zum WM-Gastgeber bestimmt worden, "genug Zeit, alles Versprochene rechtzeitig hinzustellen." Dass dies jedoch nicht geschehen sei, das sei seine "Sorge", und das sei auch "meine Scham", ergänzte der WM-Rekordtorschütze. Er schäme sich, weil den Leuten "so viel versprochen worden ist", weil "die Leute auf große Investitionen gehofft hatten" - und nun enttäuscht würden.

Alle 15 WM-Tore von Ronaldo
17 Bilder

Alle 15 WM-Tore von Ronaldo

17 Bilder

Deshalb, sagte Ronaldo, seien auch die anhaltenden landesweiten Proteste legitim. "Die Leute haben es satt, immer wieder zu hören, Brasilien sei das Land der Zukunft. Sie wollen das endlich sehen, die Zukunft berühren, sie fühlen", sagte er. Für maskierte Unruhestifter bei den Demonstrationen hat der 37-Jährige allerdings überhaupt kein Verständnis. "Was ich über die Vandalen denke? Mit dem Knüppel drauf einschlagen und runter von der Straße", ereiferte sich der Weltmeister von 1994 und 2002.

Ronaldo rief zugleich "zur größten Kundgebung aller Zeiten" auf - er meint die Präsidentschaftswahlen am 5. Oktober. Ronaldo unterstützt seit dieser Woche den oppositionellen Senator Aecio Neves, der wohl als Gegenkandidat zu Amtsinhaberin Dilma Rousseff antreten wird. So ist wohl auch zu erklären, warum er nach seiner zweieinhalb-jährigen Propaganda-Arbeit für die WM-Organisatoren nun auf Konfrontationskurs geht. Ronaldo aber versichert: "Ich bin an keine Partei gebunden, aber ich unterstütze meine Freunde."

Ronaldo, Ming und Co. beim Golf
13 Bilder

Ronaldo, Ming und Co. beim Golf

13 Bilder
Foto: dapd, Eugene Hoshiko

Trotz aller Kritik hat der dreimalige Weltfußballer die Hoffnung auf eine "brillante, wunderbare WM" allerdings noch nicht aufgegeben. "Das (Spiel-)Niveau wird sehr hoch sein, und die Brasilianer werden hinter ihrer Selecao stehen", sagte Ronaldo. Und die Favoriten? Brasilien, Deutschland, Argentinien und Spanien - "in dieser Reihenfolge. Ich glaube an ein Finale Brasilien gegen Deutschland", prophezeite Ronaldo und bekannte zum Ende des Kreuzverhörs: "Ihr habt mich ganz schön zum Schwitzen gebracht."

(sid)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort