Auslosung in St. Petersburg WM-Show sorgt für zwei Stunden Krisenpause

St. Petersburg · Mit einer großen Show wurde am Samstagabend der Auftakt der WM 2018 in Russland gefeiert. Die tiefe Krise des Weltverbands Fifa war aber allgegenwärtig.

WM 2018: So lief die Auslosung der WM-Qualifikation
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So lief die Auslosung der WM-Qualifikation

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Foto: dpa, sc mr

Für 126 Minuten schien die schwer erschütterte Fußball-Welt wieder in Ordnung. Seite an Seite mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin eröffnete der scheidende Fifa-Boss Sepp Blatter am Samstagabend die große Auslosungszeremonie für die WM 2018 — und vor der prunkvollen Kulisse des Konstantinpalasts in St. Petersburg spielte die tiefe Krise im Weltverband plötzlich keine Rolle mehr. Aber nur bis die Show vorbei war.

"Man spürt, dass die Stimmung gedrückt ist", sagte Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff (47), der den deutschen Weltmeistern als Losfee eine machbare Qualifikationsgruppe beschert hatte, in der ARD: "Die Mitarbeiter haben nicht den Mut, sich richtig frei zu geben. Wir hoffen, dass die Politik die Probleme löst und wir uns auf den Sport konzentrieren können. Aber ich glaube, die Themen Fifa und Russland werden uns noch eine Weile begleiten."

Diese Themen — der Korruptionsskandal im Weltverband, die ungeklärten Menschenrechtsfragen und die Ukraine-Krise — belasten die Endrunde in drei Jahren seit Monaten. Aus vielen Ecken (West-)Europas wurde ein WM-Boykott oder gar -Entzug gefordert, die Kritiker aus aller Welt hoffen förmlich auf schnelle, belastende Ergebnisse der Schweizer Korruptionsuntersuchung gegen Russland und Katar (Gastgeber der WM 2022). Auch, wenn eine Absage des Turniers so wahrscheinlich ist wie das Scheitern der deutschen Nationalmannschaft als Gruppenletzter in der Qualifikation.

"Wir sagen 'Ja' zu Russland", sagte Blatter (79), nachdem er sich mit Putin (62) in einem kleinen Raum des atemberaubenden Palastes beraten hatte. Die Fifa stehe weiter hinter dem WM-Ausrichter, Sportminister Witali Mutko (56) und WM-Organisationschef Alexej Sorokin (43) erledigten ihre Arbeit "großartig".

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Die Vorbereitungen auf das Großereignis (14. Juni bis 15. Juli 2018), das die "schönste WM aller Zeiten" (Mutko) werden soll, laufen tatsächlich gut. Allein in Kaliningrad hinkt der Bau des neuen Stadions hinterher - aber auch hier gibt es keinen Zweifel, dass Russland rechtzeitig liefert. "Wir tun alles, um ein guter Gastgeber zu sein", sagte Putin und versprach eine "besondere Atmosphäre der Freude".

An der sind Zweifel berechtigt. Der brasilianische Nationalspieler Hulk, der wohl größte Star der russischen Premier Liga, prangerte in der Auslosungs-Woche den offensichtlich weiterhin herrschenden Rassismus in manchen Stadien an, die BBC veröffentlichte ein Video, in dem zwei Hand in Hand durch Moskau spazierende Männer aufs Übelste beschimpft werden. Der Krieg in der Ukraine, der schon Tausende Menschenleben gefordert hatte, belastet das politische Verhältnis Russlands zum westlichen Rest der Welt enorm.

"Natürlich spüren wir, dass die Politik ein Thema ist", berichtete Bierhoff nach einem Treffen mit der ukrainischen Delegation: "Die wurden in ihrem Land kritisiert, weil sie nach Russland gereist sind."

Bis zur WM vergehe aber "noch ein bisschen Zeit", sagte der Nationalmannschaftsmanager: "Aber das Thema wird uns weiter verfolgen und ich hoffe natürlich, dass die, die verantwortlich sind — nämlich die Politiker — dafür sorgen, dass wir eine friedliche WM haben werden und der Sport nicht gefordert sein wird, politische Aussagen zu treffen."

(sid)
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