Fifa-Ethikkommission WM-Vergaben sollen erneut untersucht werden

Zürich · Die Aufklärung der Korruptionsvorwürfe bei der Vergabe der Fußball-WM an Russland 2018 und Katar 2022 wird endgültig zur Hängepartie. Nun soll es ein weiterer Prominenter des eigenen Reformprozesses richten.

Sepp Blatter: 17 Jahre an der Spitze der Fifa
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Foto: dapd, Alessandro Della Bella

Nach dem Friedensgipfel der zerstrittenen Ethik-Chefs soll ein "Schiedsmann" Licht in die Abgründe des Skandals im Fußball-Weltverband Fifa bringen. Die Aufklärung der Korruptionsvorwürfe bei den WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022 wird damit endgültig zur Hängepartie - der vermeintliche Abschlussbericht des deutschen Richters Hans-Joachim Eckert (München) scheint so gut wie wertlos.

Der frühere Top-Manager Domenico Scala, seit 2012 Vorsitzender der Audit- und Compliance-Kommission der Fifa, werde "vollständige Kopien aller Berichte" der von Michael Garcia (USA) geleiteten Untersuchungskammer der Ethikkommission erhalten, teilten Garcia und Eckert, Vorsitzender der rechtsprechenden Kammer, in einer gemeinsamen Stellungnahme nach ihrem Treffen am Donnerstag mit. Scala werde dann entscheiden "wie viele dieser Informationen dem Fifa-Exekutivkomitee offengelegt werden sollten". Das wird dauern.

In der vergangene Woche hatte Eckert in seiner Auswertung des Garcia-Berichts erklärt, dass die Ermittlungen keine Beweise für Korruption bei den WM-Vergaben 2018 und 2022 ergeben hätten. Garcia wollte dies nicht hinnehmen und hatte Einspruch eingelegt. Der Amerikaner sprach von "unvollständigen und fehlerhaften" Informationen in der 42-seitigen Stellungnahme des Münchner Richters. Das Debakel für die Fifa war perfekt.

Das Ergebnis der anberaumten Aussprache der Hauptpersonen ist nun Scala, eigentlich ein Fachmann für Wirtschaft. Laut Mitteilung waren sich beide Kammer-Vorsitzenden einig, dass das Exko um Präsident Joseph S. Blatter "unbedingt über die nötigen Informationen verfügen muss, um über die weiteren Schritte zu entscheiden, die aufgrund der Arbeit der Fifa-Ethikkommission erforderlich sind". Eckert wird allerdings auch schon mit seinem Bericht der Meinung gewesen sein, dass dem so ist.

Die Fifa teilte mit, sie habe das gemeinsame Statement von Eckert und Garcia zur Kenntnis genommen: "Wir verstehen es dahingehend, dass der Vorsitzende der Audit- und Compliance-Kommission, der ebenfalls unabhängig ist, die Angelegenheit untersuchen und über die nächsten Schritte entscheiden wird." Kein weiterer Kommentar.

Wann und wie Scala aber für Aufklärung sorgen kann, ist völlig offen. Eckert hatte den Garcia-Bericht - mit Anhang mehrere Tausend Seiten - Anfang September erhalten und Mitte November seine Auswertung vorgelegt. Die komplette Veröffentlichung der Arbeit des "Mafiajägers" aus den USA, die Garcia selbst und auch hochrangige Fußballfunktionäre vor allem aus Europa gefordert hatten, lehnte die Fifa bislang mit Verweis auf die Statuten vehement ab.

"Ich gehöre zu denjenigen, die für eine Veröffentlichung sind", hatte Wolfgang Niersbach, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), gesagt: "Aber wenn die Bestimmungen des Ethikcodes dagegensprechen, kann man das nicht ignorieren."

Anti-Korruptions-Expertin Sylvia Schenk sieht die Fifa ohnehin nur noch um Schadensbegrenzung bemüht. Dazu gehört auch die von Blatter bei der Bundesanwaltschaft Bern gestellte Anzeige. "Die von der Fifa gestellte Strafanzeige ist für mich ein verzweifeltes Ablenkungsmanöver", sagte die Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International dem SID.

Gegenstand der Anzeige bildet laut Weltverband ein mögliches Fehlverhalten von Einzelpersonen im Zusammenhang mit den Vergaben. Eckert und Garcia teilten zudem mit, dass die Untersuchungskammer "aufgrund der genannten Untersuchung bereits eine Reihe formeller Verfahren gegen Einzelpersonen eröffnet" habe. Unabhängig von der Strafanzeige und dem Auftrag an Scala.

(sid)
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