Tiflis Georgiens Fußball im Umbruch

Tiflis · Zwei Ex-Bundesligaprofis die Hoffnungsträger der Nr. 126 der Weltrangliste.

Die Vorfreude auf den Weltmeister ist groß. Das Fußballstadion (75 000 Plätze) in Tiflis ist ausverkauft. Vom Blick auf die Weltrangliste sollten sich die deutschen Profis nicht blenden lassen. Georgien belegt nur den 126. Rang - noch hinter St. Vincent und den Grenadinen, knapp vor Aruba und den Malediven. "Das zeigt, dass im georgischen Fußball zuletzt vieles in die falsche Richtung gelaufen ist", sagte Lewan Kobiashvili. Der 37-Jährige kandidiert für den Posten des Verbandspräsidenten. Klaus Toppmöller, von 2006 bis 2008 als Trainer in Georgien, betont: "Fußballerisch können die Spieler sicher mit den Deutschen mithalten. Sie sollte man nicht unterschätzen."

Dennoch spricht Ex-Bundesligaprofi Lewan Kobiashvili (Freiburg, Schalke, Hertha BSC) im Vorfeld des morgigen EM-Qualifikationsspiels (18 Uhr MESZ/RTL) besorgt von einem "Absturz" seines Heimatlandes. Das Ziel sei eigentlich Platz drei in Gruppe D gewesen, doch der sei fast schon weg. Mit nur drei Punkten aus vier Spielen ist das Team Vorletzter. Der Erfolg gelang gegen das noch kleinere Gibraltar (3:0). Gegen Irland (1:2), Schottland (0:1) und Polen (0:4) setzte es Niederlagen.

Der aktuelle Kader sei "talentiert, aber noch nicht reif genug", sagt Kobiashvili. Keiner der Profis spiele in einer Top-Liga. Zudem sei das Niveau der heimischen Liga schwach: "Entscheidend ist, dass es an Professionalität mangelt." Zwar gibt es im Unterbau durchaus Fortschritte, "aber es muss etwas passieren. Wir müssen bei null anfangen. Es nützt nichts, die sechste Etage zu renovieren, wenn das Fundament nicht passt", betont der Ex-Profi.

Bis auf Dinamo Tiflis haben fast alle Clubs finanzielle Probleme. Es gibt keine TV-Einnahmen, bei vielen Partien haben die Zuschauer freien Eintritt. Oft können die Vereine keine Gehälter zahlen, und die Spieler wandern von Club zu Club. Auch das Meisterschaftssystem wird fast jedes Jahr gewechselt - mal zwölf Mannschaften in zwei Gruppen, mal 16 Klubs in einer Liga. So kommt es teilweise sogar vor, dass niemand genau weiß, wie viele Vereine auf- und absteigen werden, denn es ist fast nie sicher, wie und mit welchem System die kommende Meisterschaft gespielt wird.

Große Hoffnungen ruhen auf Kachaber Tschadadse. Vor genau 20 Jahren, als Gastgeber Georgien vor der Rekordkulisse von 110 000 Fans in Tiflis durch zwei Tore von Jürgen Klinsmann mit 0:2 gegen Deutschland verlor, stand er noch als Abwehrspieler auf dem Platz. Nun soll der ehemalige Profi des Bundesligisten Eintracht Frankfurt, der bereits erfolgreich als Cheftrainer von Inter Baku im Nachbarland Aserbaidschan arbeitete, für eine erfolgreiche Zukunft sorgen.

Offensichtlich fällt es ihm aber schwer, seinen Spielern Mut zu vermitteln: "Das Wichtigste ist, keine Angst zu haben - das hab ich den Spielern schon tausend Mal gesagt." Deutschland habe seit dem Sommer auch mal verloren oder remis gespielt. "Auch gegen Weltmeister Deutschland kann man ein positives Ergebnis erzielen", so Tschadadse. "Das Spiel kann unserem Fußball in rein sportlicher Hinsicht viel geben."

(SID)
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