Köln Geplatzter Traum

Köln · Uwe Gensheimer, Kapitän der deutschen Handball-Nationalmannschaft, wechselte im Sommer 2016 zu Paris St. Germain. Der 30-Jährige wollte die Champions League gewinnen. Im Finale gegen Skopje patzt er nun im entscheidenden Moment.

Als erfolgreichster Torschütze ausgezeichnet zu werden, ist eine schöne Sache. Eigentlich. Doch als Uwe Gensheimer den Pokal überreicht bekam, sah jeder in der wie am Vortag mit 19.750 Zuschauern ausverkauften Kölner Arena, wie unwohl sich der Handballprofi fühlte. Kurz zuvor hatte er mit seinen Teamkollegen von Paris St. Germain die Medaillen erhalten. Aber es waren aus ihrer Sicht die falschen. Wenig später konnten und wollten die Spieler des mazedonischen Meisters Vardar Skopje ihre Freude und ihren Stolz nicht zügeln, als sie nach dem 24:23 (11:12)-Finalsieg für den Gewinn der Champions League geehrt wurden.

"Für uns ist ein Traum geplatzt. Ich habe keine Ahnung, wie lange wir brauchen, das zu verdauen", sagte Gensheimer. 113 Tore hatte er vor dem Finale erzielt, sieben beim 27:25 im Halbfinale gegen Vorjahresfinalist Veszprem. Doch im Endspiel war der Kapitän der Nationalmannschaft kein Faktor - jedenfalls kein positiver. "So zu verlieren ist ganz bitter. Das ist ein Scheißgefühl, einfach zum Kotzen", sagte der 30-Jährige Minuten nach Spielschluss mit einem Blick, der ins Leere ging.

Während der Gegner kurz zuvor ausgelassen feierte, schlich Gensheimer übers Spielfeld, orientierungslos. Wenig später auf dem Weg in die Kabine zog er sich das Trikot über den Kopf. Ein zum Scheitern verurteilter Versuch, sich auszuklinken. Zwei Sekunden vor Schluss hatte sein Gegenspieler Ivan Cupic das Tor zum 24:23 erzielt. Knapp fünf Minuten zuvor hatte Trainer Raul Gonzalez den vor einem Jahr mit Kielce im Finale siegreichen kroatischen Rechtsaußen vom Bankdrücker-Dasein erlöst und aufs Feld geschickt. Gensheimer, der während der 60 Minuten kaum angespielt worden war, der einen Siebenmeter verwandelt und einen verworfen hatte, dessen Torraumpass beim Gegner landete, kam einen Schritt zu spät. Thierry Omeyer konnte das Unheil nicht verhindern. Vorher hatte der 40-Jährige wie sein drei Jahre jüngerer Rivale Arpad Sterbik im Vardar-Tor immer wieder gezeigt, warum beide seit langer Zeit zu den Weltbesten ihres Fachs gehören.

Im Sommer 2016 war Gensheimer nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft von den Rhein-Neckar Löwen in die französische Hauptstadt gewechselt. Er rechnete sich mit dem Starensemble eine größere Chance aus, die Champions League zu gewinnen. Natürlich hatten auch andere im Team gepatzt. Nikola Karabatic ließ sich zweimal den Ball abjagen, auch Daniel Narcisse ebnete dem Gegner den Weg zu zwei Tempogegenstößen und Toren. Trainer Noka Serdarusic, der 2007 mit Kiel die Königsklasse gewonnen hatte - mit den Spielern Omeyer und Karabatic -, "opferte" zweimal den Torhüter zugunsten des siebten Feldspielers. Jedes Mal landete der Ball im eigenen Tor.

Fehler und Nachlässigkeiten in der zweiten Halbzeit, die wehtaten. Die aber zu einem Zeitpunkt passierten, als sie noch ausgebügelt werden konnten. Und als Narcisse sieben Sekunden vor Schluss in der spielerisch enttäuschenden, vom Kampf und der Abwehrarbeit her aber beeindruckenden Partie das 23:23 erzielte, schien der Favorit sich in die Verlängerung retten zu können. Skopje nahm eine Auszeit, um den letzten Angriff gegen Paris zu planen, das nach einer Zeitstrafe für Luka Karabatic einen Spieler weniger auf dem Feld hatte. Der Rest ist bekannt.

"Wir wussten, dass wir gegen eine der Top-, Top-, Top-Mannschaften nur eine Chance haben, wenn unsere Abwehr funktioniert", erklärte Juan Canellas. Der Spanier war vor einem Jahr vom THW Kiel zu Vardar Skopje gewechselt, weil er sich nach drei Jahren nicht noch länger den mentalen und körperlichen Stress eines Bundesligaspielers zumuten wollte. 2013 war er Weltmeister geworden, doch den Gewinn der Champions League "stufe ich sogar noch etwas höher ein".

"Ich glaube, jeder hat gesehen, dass wir bei unserer ersten Teilname am Final 4 nicht nach Köln gekommen sind, um Erfahrung zu sammeln. Wir wollten diese Trophäe", sagte Torhüter Sterbik. Der 119-Kilo-Koloss ist einer der Spieler, die Sergej Samsonenko nach Skopje lockte. Im Sommer 2013 stieg der russische Millionär bei Vardar als Chef ein. Sterbik, den Perspektive und Gehalt überzeugten, verließ den FC Barcelona vor Ablauf seines Vertrages. Vor einem Jahr kamen Canellas, der russische Linksaußen Timor Dibirov, Cupic und Rückraumhüne Vuko Borozan, der gerade mit Nettelstedt-Lübbecke aus der Bundesliga abgestiegen war.

Uwe Gensheimer wird einen neuen Anlauf starten, endlich seinen ersten großen internationalen Titel zu gewinnen.

(RP)
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