Handball Prokop liebäugelt mit dem Bundestrainerposten

Sollte Erfolgscoach Sigurdsson gehen, ist Christian Prokop erster Kandidat als neuer Handball-Bundestrainer. Der Leipziger Bundesligacoach könnte sich das gut vorstellen. Handball-Ikone Stefan Kretzschmar hofft aber, dass alles so bleibt, wie es ist.

 Christian Prokop wurde von Bob Hanning kontaktiert.

Christian Prokop wurde von Bob Hanning kontaktiert.

Foto: dpa, hsc nic

Über das plötzlich große Medieninteresse an seiner Person war Christian Prokop ziemlich überrascht. Nach der Meldung, dass der 37-Jährige womöglich neuer Handball-Bundestrainer wird, klingelte sein Telefon praktisch ohne Ende. "Gestern kam eine ganz schöne Presselawine auf uns zu, ich konnte nicht jedes Gespräch beantworten. Damit hab ich nicht gerechnet", sagte der bisher nur Insidern bekannte Coach des Bundesligisten SC DHfK Leipzig.

Prokop ist der Wunschkandidat des Deutschen Handballbundes (DHB) für die Nachfolge von Dagur Sigurdsson. Der Isländer steht wohl vor dem Absprung, weshalb DHB-Vizepräsident Bob Hanning mit Prokop bereits ein Sondierungsgespräch geführt hat. "Wir haben über eine mögliche Nachfolge gesprochen. Es wäre eine sehr reizvolle Aufgabe für mich. Alles andere hängt von Dagurs Entscheidung ab", sagte Prokop.

Die soll bis Ende November fallen. Sigurdsson hat zwar noch einen Kontrakt mit dem DHB bis 2020, kann bis Ende des Jahres aber eine Ausstiegsklausel ziehen. Dem Isländer, der die Deutschen in diesem Jahr sensationell zu EM-Gold und Olympia-Bronze geführt hatte, liegt ein Angebot aus Japan vor. Er könnte die deutschen Handballer nach der WM 2017 Ende Januar verlassen. "Wir warten auf die Entscheidung von Dagur Sigurdsson und sind auf alle Fälle vorbereitet", sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann am Donnerstag beim Kongress der Europäischen Handball-Föderation EHF in St. Wolfgang.

Im Werben um Prokop sei der DHB bisher aber nicht an die Leipziger herangetreten. "Es gibt keine offizielle Anfrage oder gar Verhandlungen. Alles andere ist Quatsch und Spekulation, woran wir uns nicht weiter beteiligen wollen", sagte Geschäftsführer Karsten Günther. Fakt sei, dass sowohl Prokop als auch Sigurdsson laufende Verträge hätten. Gespräche zwischen Verein und DHB werde es erst nach einer Entscheidung von Sigurdsson geben, sagte Günther.

Für ihn überlagert die öffentliche Diskussion vor allem eines: Das Alltagsgeschäft mit dem schweren Heimspiel am Sonntag gegen Minden. Zwar sei die Diskussion um Prokop eine "Wertschätzung für unsere Arbeit. Aber ganz Handball-Deutschland wünscht sich, dass Dagur Trainer bleibt", sagte er. Auch Leipzigs Aufsichtsmitglied Stefan Kretzschmar hofft, dass alles beim Alten bleibt. "Ich hoffe, dass der DHB ernsthaft und mit aller Konsequenz alles dafür tut, um Dagur zu halten", sagte der frühere Weltklasse-Linksaußen der Deutschen Presse-Agentur. "Zudem hat Prokop bei uns einen Vertrag bis 2021 und es gab bisher keine offizielle Anfrage des DHB."

Prokop ähnelt in seiner Art und Weise Sigurdsson, auch die Spielphilosophien sind ähnlich. Mit Leipzig stieg Prokop 2015 ins Oberhaus auf und schaffte sofort den Klassenverbleib. Er wurde von seinen Kollegen zum "Trainer des Jahres" gewählt. Vor der DHB-Anfrage hatte der 37-Jährige Offerten anderer Clubs abgelehnt. "Eine Entscheidung gegen Leipzig würde sehr weh tun, wenn man sieht, was wir in den letzten drei Jahren erreicht haben. Aber es ist das höchste Amt im deutschen Handball. Dass ich mich damit beschäftige, ist nur menschlich", sagte er.

Prokop hatte seinen Vertrag erst vor knapp fünf Wochen bis 2021 verlängert, Hannings Anruf kam danach. Da er keine Ausstiegsklausel hat, würde eine Ablösesumme fällig werden. "Dementsprechend müsste es dann Gespräche geben und man müsste sehen, ob wir und der DHB uns einig werden oder nicht", sagte Prokop.

Die beiden Macher des Leipziger Projekts wissen um die Qualitäten Prokops. "Er ist ein talentierter und akribischer Trainer, der das Team immer perfekt auf den Gegner vorbereitet. Für unser Projekt ist er ein herausragender Trainer", sagte Kretzschmar, gab aber zu bedenken: "Das hat aber auch ein anderes Anforderungsprofil als das eines Nationaltrainers. Ob es dafür reicht, weiß ich nicht."

Weitere Kandidaten auf den Bundestrainer-Job sind Markus Baur (TVB Stuttgart) und Gudmundur Gudmundsson, der seinen Vertrag als Nationaltrainer Dänemarks gekündigt hat. Die ebenfalls vom DHB umworbenen Erfolgstrainer Alfred Gislason (THW Kiel) und Ljubomir Vranjes (SG Flensburg-Handewitt) hatten Absagen erteilt.

(dpa)
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