Europameister feiern Titelgewinn Goldene Handball-Generation

Düsseldorf · Der EM-Titel soll nur der Anfang sein. Früher als erhofft hat die Handball-Nationalmannschaft den Anschluss an die Weltspitze geschafft. Ob sich der Erfolg an der Basis auswirkt, ist ungewiss. Die Sportart hat viele Aktive verloren.

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Die Nacht nach dem Triumph war kurz. Die Sieger von Krakau feierten in der Altstadt bis in den Morgen das Ende einer Dienstreise, nach der nicht nur die Handballwelt staunt. Über eine Mannschaft, deren Spieler als Nebendarsteller angetreten waren und als Hauptakteure zurückkamen. Am Nachmittag genossen die Männer um den überragenden Torhüter Andreas Wolff den Empfang, den ihnen gut 9000 Fans in der Berliner Max-Schmeling-Halle bereiteten. Unter ihnen waren viele Kinder und Jugendliche - jene Altersgruppe, aus der der Handball wieder Zuwachs haben möchte.

"Damit ein Hype nicht nachlässt, braucht es weitere Erfolge sowie Sportler oder Mannschaften, mit denen sich die Menschen identifizieren können", erläutert der Kommunikationswissenschaftler Josef Hackforth. Die neuen Europameister erfüllten in den zurückliegenden 14 Tagen zunehmend diese Forderungen. "Wenn wir jetzt auf dem Boden bleiben und uns weiterentwickeln, ist das vielleicht die Geburt einer großen Generation", meinte Andreas Wolff. Der Torhüter ist einer, der mit seinen Leistungen nicht nur seine Teamkollegen, sondern neben den alten auch viele neue Handballfreunde mitriss.

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Dagur Sigurdsson, der als Isländer kein Problem damit hat, die deutsche Nationalhymne mitzusingen, kommt mit seiner gewinnenden Art ebenfalls an. Mancher traut ihm sogar zu, der neue Heiner Brand zu werden. So weit ist es noch lange nicht. Doch er hat es in 17 Monaten geschafft, Handball ins Gedächtnis der Sportfans zurückzuholen. Als vor der EM neben zwei Langzeitverletzten noch zwei Stammspieler ausfielen, hörte man kein Klagen. Sigurdsson holte das Beste aus den Akteuren heraus, die ihm zur Verfügung standen. 30 Namen umfasst der A-Kader des Deutschen Handballbundes (DHB). Rune Dahmke (22), Christian Dissinger (24), Jannik Kohlbacher (20) und Julius Kühn (22) fehlen - noch. Das Quartett gehört zu den EM-Helden. Ein weiterer Beleg, wie groß inzwischen die Palette an Kandidaten für das Nationalteam ist.

Auch Sigurdsson genoss seinen größten sportlichen Erfolg, warnte aber davor, den Blick für die Realität zu verlieren. "Wir müssen schauen, dass wir hart arbeiten, nicht überheblich werden und Demut zeigen", betonte der 42-Jährige. Fakt ist, dass seine Mannschaft nun mit anderen Augen gesehen wird, dass Respekt da ist. Dieses Team, in dem nur Torhüter Carsten Lichtlein (35) die 30 schon überschritten hat, aber zwölf Spieler erst 25 Jahre und jünger sind, besitzt viel Potenzial. Qualität haben auch die Spieler, die diesmal fehlten. Die DHB-Auswahl ist in den Kreis der Weltelite zurückgekehrt. Sich dort zu behaupten, ist die große Herausforderung.

Noch immer ist der DHB der weltweit mitgliederstärkste Verband. Doch von Januar 2009 bis 2015 sank die Mitgliederzahl um rund 80.000 auf 767.326, davon allein 60.000 bei den Sieben- bis 18-Jährigen. "Gemeinsam mit den Landesverbänden, mit der Bundesliga, mit dem DHB und der Nationalmannschaft haben wir nun die große Chance, nachhaltig etwas aufzubauen", sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. Er sprach von einer zarten Pflanze, die man nicht zerstören dürfe so wie jene nach dem WM-Triumph 2007, als nach zwei Jahren der Abschwung begann.

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Nicht jeder Nachwuchs- wird auch Nationalspieler, aber die Basis sind die Vereine. Sie sieht Carsten Korte gerüstet für einen möglichen Ansturm von Interessierten. "Wir hoffen auf einen Boom und dass wir ihn über die Jahre retten können", sagte der im DHB für den Breiten- und Amateursport zuständige Vizepräsident. Mit Blick auf die Problematik von Hallen, die als Flüchtlingsunterkünfte genutzt werden, und damit fehlenden Trainingsmöglichkeiten betont er: "Da müssen wir Lösungen finden." Doch nicht nur dafür. "So schön die Erfolge bei großen Turnieren sind, sie allein reichen nicht aus", stellt Frank Bohmann, Geschäftsführer der Liga fest. "Das Nationalteam hat eine Steilvorlage geliefert. Jetzt liegt es an uns, was wir daraus machen", betont Liga-Chef Uwe Schwenker.

(RP)
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