Oliver Roggisch im Interview "Ich sehe die Situation überhaupt nicht kritisch"

Oliver Roggisch ist wieder mal in Eile. Empfang beim Bürgermeister von Zagreb, TV-Termine, Pressekonferenz. Der Teammanager der deutschen Handball-Nationalmannschaft ist ein gefragter Mann bei der EM in Kroatien. Das deutsche Team steht zwar in der Hauptrunde, aber es überzeugte bislang nicht.

Oliver Roggisch – Weltmeister, Ehemann, Teammanager
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Das ist Oliver Roggisch

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Foto: dpa, Axel Heimken

Es läuft nicht wirklich rund bei der EM. Ist dies die kritischste Situation, die Sie als Teammanager erleben?

Oliver Roggisch Ich sehe die Situation überhaupt nicht kritisch. Wir gehen, wie drei andere Mannschaften, mit zwei Punkten in die Hauptrunde. Da ist alles möglich. Wenn du ins Halbfinale willst, musst du nun alle Spiele gewinnen. Aber diese Situation hatten wir schon häufiger. Es stimmt, dass wir in den zurückliegenden beiden Spielen nicht unser Topniveau abgerufen haben. Aber wir wissen, was wir verbessern müssen und haben in drei Spielen die Chance, das zu zeigen, was wir können — und dann sind wir wieder dick dabei.

Fällt es Ihnen schwer, als ehemaliger Profi bei solchen Spielen zuzuschauen?

Roggisch Überhaupt nicht. Ich hatte eine schöne Karriere, und es ist gut zu sehen, wie die Mannschaft hier als Team funktioniert. Es ist schön, ein Teil des Teams zu sein, auch wenn es nicht mehr aktiv auf der Platte ist. Ich versuche, die Jungs trotzdem zu unterstützen wo ich kann. Die ersten Jahre waren sicherlich nicht ganz einfach, aber mittlerweile eine ganz gute Distanz.

Sie haben 2014 Ihre Karriere beendet, auch weil die Gesundheit nicht mehr mitgespielt hat. Wie geht es Ihnen denn jetzt?

Roggisch Ich hatte einige Verletzungen, die Leistungssport auf dem ganz hohen Niveau nicht mehr zulässt. Aber ich glaube, dass ich für meine Verhältnisse noch ganz gut rausgekommen bin, wenn ich mir Heiner Brand und andere Spieler anschaue aus einer anderen Generation, die heute künstliche Hüft- oder Kniegelenke haben. Dennoch ist es so, dass ich laut Berufsgenossenschaft ein Sportinvalide bin, weil Leistungssport auf diesem Niveau nicht mehr möglich war. Aber im Nachhinein bin ich sehr zufrieden, meine Karriere ein Jahr früher beendet zu haben, und mit dem Einstieg bei den Rhein-Neckar Löwen und der Nationalmannschaft habe ich, glaube ich, alles richtig gemacht.

Wie weit sind Sie vom Kampfgewicht entfernt?

Roggisch Noch ein bisschen weg. Aber wir haben eine gute Laufgruppe mit dem Physiotherapeuten Peter Gräschus. Wir legen hier jeden Morgen rund 8,5 Kilometer zurück. Die Zeit mit der Nationalmannschaft tut mir immer ganz gut, um mein Gewicht im Zaum zu halten. Im Winter laufe ich viel Ski. Es gibt viele Dinge, die ich mache, denn ganz ohne Sport kommt wohl keiner von uns aus.

Ist auch Tauchen dabei?

Roggisch Tauchen ist in dem Sinne ja nicht unbedingt ein Sport, auch wenn es Sporttauchen heißt. Im Sommer gehe ich gerne tauchen, aber das trägt leider nicht dazu bei, Gewicht zu verlieren.

Welche Aufgaben haben Sie bei der Nationalmannschaft?

Roggisch Die sind sehr, sehr weitläufig. Bindeglied zwischen der Geschäftsstelle und der Mannschaft beschreibt es ganz gut. Ich bin ja noch immer relativ nahe an der Mannschaft, weil ich die Jungs von früher kenne. Die Organisation im Vorfeld von Turnieren oder Trainingslagern wie An- und Abreise der Spieler, aber auch die technischen Besprechung — kurz, all das, was die Trainer nicht betrifft, aber funktionieren muss. Und ein Großteil ist auch Medienarbeit. Der Bundestrainer kann nicht jeden Interviewwunsch erfüllen, und da kann ich ihn entlasten.

Sind sie auch aktiv, wenn es darum geht, sportliche Dinge zu beurteilen?

Roggisch Wir tauschen uns natürlich aus. Aber wir haben zwei erfahrene Trainer. Ich werde nicht meinen Senf dazugeben, wo es nicht angebracht ist. Wenn meine Meinung allerdings gefragt ist, sprechen wir darüber. Gerade über Abwehrdinge. Gibt es da offene Fragen, bin ich gerne bereit, meine Meinung dazuzugeben. Sonst versuche ich mich da herauszuhalten.

Wo die Unterschiede zum Job als Sportlicher Leiter beim deutschen Meister?

Roggisch Da ist ja eine Kaderplanung erforderlich, müssen Spieler verpflichtet werden. Also diese Dinge die bei der Nationalmannschaft nicht anfallen. Dann habe ich eine ganz andere Verantwortung. Der Umgang mit den Spielern ist derselbe. Es ist da ganz gut, dass ich die meisten noch kenne. Entweder habe ich bei der Nationalmannschaft mit ihnen oder in der Bundesliga gegen sie gespielt. Ich glaube, der Vorteil, den ich habe, ist der, dass ich in beiden Welten noch zu Hause bin.

Wie hat sich der Handball verändert seit 1998, als Sie Profi wurden?

Roggisch Die Jungs rennen schneller, springen höher, sind körperlich ganz anders aufgebaut, taktisch unglaublich entwickelt. Die Abwehrformationen sind deutlich variabler geworden.

Würden Sie gerne heute noch aktiv sein?

Roggisch Wenn ich fit wäre, natürlich. Wenn ich im gleichen Alter noch mal spielen könnte, würde es mich schon interessieren, weil es auf viel mehr Dinge ankommt. Das Spiel ist schneller geworden, das Training hat sich verändert. Ich würde es mir schon noch zutrauen.

Was treiben Sie in der Freizeit?

Roggisch Die ist wenig geworden. Im Endeffekt bin ich das ganze Jahr unterwegs, ob für den Verein oder für den DHB. Wenn ich frei habe, bin ich Zuhause. Ich bin Vater geworden, und dann ist die Hauptbeschäftigung das kleine Baby zu Hause. Till ist jetzt 14 Monate alt und schmeißt die Bälle durch die Gegend.

Soll er auch Handballer werden?

Roggisch Ich werde ihn nicht dazu drängen. Er wächst natürlich in einem Umfeld auf, wo Handball eine große Rolle spielt. Von daher würde es mich nicht überraschen. Aber das soll er dann mal ganz alleine entscheiden.

Wo verbringt Oliver Roggisch am liebsten seinen Urlaub?

Roggisch Auf einem Boot, irgendwo auf einer Tauchsafari. Ich war letztes Jahr auf Französisch- Polynesien. Das war eine Traumreise. Das ist jetzt mit einem Kleinkind etwas schwieriger geworden. Ich werde meinen Urlaub da verbringen, wo Till sich wohlfühlt. Wasser sollte allerdings immer in der Nähe sein.

Was hat Ihnen der Handball gebracht?

Roggisch Unvergessliche Momente. Er hat mir jedoch auch die eine oder andere Träne ins Gesicht gedrückt. Ich habe ein paar Finals verloren, die unglaublich wehgetan haben. Doch es gab auch schöne Momente, die ich nicht vergessen will. Olympia zum Beispiel, auch wenn es schwer nachzuvollziehen ist (Final-Niederlage 2004 gegen Kroatien/die Red.). Es war immer mein Kindheitstraum, einmal bei Olympia dabei zu sein. Die WM 2007 mit dem Titelgewinn in Deutschland muss ich nicht beschreiben. Meine Karriere war eine Berg- und Talfahrt, aber die schönen Momente überwiegen.

(cze)
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