Abwehrriese überzeugt bei Handball-EM Lemke wandelt auf Roggischs Spuren

Breslau · Seinen Ritterschlag bekam Finn Lemke, als das Spiel längst vorbei war. Tief unten im Bauch der riesigen Jahrhunderthalle von Breslau bahnte sich Oliver Roggisch seinen Weg durch die wartenden Reporter, blieb vor dem neuen Abwehrchef der deutschen Handballer stehen und drückte ihn fest an sich. "Das war bärenstark heute", sagte Roggisch. Das laufende TV-Interview des Youngsters störte ihn wenig.

 Finn Lemke (l.) zeigt bei der Handball-EM in der Abwehr überragende Leistungen.

Finn Lemke (l.) zeigt bei der Handball-EM in der Abwehr überragende Leistungen.

Foto: dpa, dw ss

"Finn hat sich in diesen drei Länderspielen hier so entwickelt, wie ich es selten von einem Nationalspieler gesehen habe", sagte Teamanager Roggisch später und ernannte "Abwehrkante" Lemke offiziell zu seinem Nachfolger: "Er hat ein unglaubliches Feuer in den Augen. Das ist schön zu sehen. Er ist unser neuer Abwehrchef und tut der Mannschaft richtig gut."

In der Tat war Lemke beim souveränen 25:21-Erfolg gegen Slowenien einmal mehr die prägende Figur in der so gelobten deutschen Defensive. Der 23-Jährige mit dem Bubigesicht gab im Innenblock lautstark die Richtung vor, warf sich in jeden Zweikampf und stopfte jedes Loch mit bestechender Beinarbeit. "Finn spielt unglaublich aggressiv, ist unser Motivator", sagte Kreisläufer Hendrik Pekeler, Lemkes kongenialer Partner im Mittelblock: "So wie Oliver Roggisch früher."

210 Zentimeter Körpergröße, ein Kreuz breit wie ein Schrank und Hände wie Bratpfannen: Wo Lemke auftaucht, wird es dunkel. Abseits des Spielfeldes stets bescheiden und fast ein bisschen schüchtern, wird er sobald der Anpfiff ertönt zur Furie, feiert jeden gewonnenen Zweikampf seiner Kollegen mit geballten Fäusten und schüttelt selbst reihenweise die Gegenspieler durch. Am Ende des letzten deutschen Gruppenspiels schienen sich die Slowenen schon nicht mehr in die Nähe des deutschen Wurfkreises zu trauen - Lemke sei Dank.

"Wir verschreien uns als Bad Boys und dann müssen wir auch so spielen. Hart, aber fair", sagte der Student der Sozialen Arbeit, der mit seiner unaufgeregten, aber extrem ehrgeizigen Art sinnbildlich für die mit 14 EM-Debütanten gespickte deutsche Rasselbande steht: "Das Ziel muss immer sein, dass die Gegner keine Lust mehr haben, gegen uns in den Zweikampf zu gehen."

Bundestrainer Dagur Sigurdsson liebt vor allem die taktische Variabilität seines Musterschülers. "Er hat einen riesigen Schritt nach vorn gemacht und macht hier einen sehr guten Eindruck", sagte der Isländer: "Er ist einer der Schlüsselspieler für unseren Erfolg."

Lemke erlebt in Polen zurzeit sein ganz persönliches Wintermärchen. Seit seinem Wechsel aus Lemgo zum SC Magdeburg im Sommer geht es für ihn steil bergauf. "Aus dem jungen Finn Lemke ist in Magdeburg ein Mann geworden", sagte Pekeler, der in Lemgo mit Lemke zusammen spielte. Inzwischen ist Lemke als Dirigent der deutschen Defensive schon jetzt nicht mehr aus der Nationalmannschaft wegzudenken, er machte die Abwehr innerhalb kürzester Zeit zum neuen Prunkstück des Teams.

(sid)
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