Nach Nationalmannschafts-Verzicht Kretzschmar sauer auf Glandorf und Kaufmann

Ohne die beiden Rückraumasse Holger Glandorf und Lars Kaufmann fährt die deutsche Mannschaft zur WM nach Spanien. Stefan Kretzschmar ist darüber stinksauer - obwohl in beiden Fällen gesundheitliche Gründe für die Absage vorliegen.

Handball-EM 2012: Deutschland - Schweden
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Stefan Kretzschmar bestellte sich auf den Schock erstmal einen Cappuccino. Nach den Absagen der Leistungsträger Holger Glandorf und Lars Kaufmann für die anstehende Handball-WM in Spanien (11. bis 27. Januar 2013) sah sich der Ex-Nationalspieler in seiner Kritik bestätigt, dass die Nationalmannschaft mehr und mehr an Reiz für die Spieler verliert.

Für Kretzschmar ein unhaltbarer Zustand, obwohl der WM-Verzicht der Flensburger Rückraumspieler Glandorf und Kaufmann aus verletzungsbedingten Gründen erfolgte. "Diese Meldung hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Tendenzen in diese Richtung gibt es schon länger. Ich weiß nicht, ob jeder sich darüber im Klaren ist, was für die Nationalmannschaft und den Handball auf dem Spiel steht", sagte Kretzschmar und twitterte: "Nationalmannschaft absagen aus gesundheitlichen Gründen, aber jedes Wochenende im Verein 100 Prozent geben. Bedenklich und charakterlos!"

Auch Bundestrainer Martin Heuberger hat speziell bei Glandorf "leider das nötige Feuer für die Nationalmannschaft" vermisst. Kretzschmar sieht darin eine Dimension erreicht, die ihm missfällt. Dafür verantwortlich sind nach Meinung des früheren Weltklasse-Linksaußen unter anderem die Vereine und deren wirtschaftliche Zwänge. "Sie haben natürlich Einfluss auf die angeschlagenen Spieler und legen ihnen nahe, nicht zu spielen, sondern sich auszukurieren", sagte "Kretzsche", der den Handlungsspielraum von Heuberger als begrenzt ansieht: "Er macht schon alles und steht in Kommunikation mit den Klubs. Schade, dass es manche Spieler nicht als das Größte ansehen, für Deutschland zu spielen."

Kretzschmar glaubt auch, dass die scheinbar schwindende Wirkung des Trikots mit dem Bundesadler ein Generationsproblem ist. "Zu meiner Zeit", sagt der 39-Jährige, "konntest du uns aufs Spielfeld tragen, und wir haben gespielt, wenn es für Deutschland ging." Von seiner Kritik nahm er Pascal Hens aus. Der Hamburger war nach seiner Verletztenmisere aus der DHB-Auswahl zurückgetreten. "Aber mitten in der Karriere zu sagen, ich spiele nicht in der Nationalmannschaft und schone meinen Körper, das verstehe ich nicht", fügte Kretzschmar an.

Auch Heuberger, der am Donnerstag sein erweitertes 28-köpfiges WM-Aufgebot bekannt gab, findet die Entwicklung im Fall Glandorf bedauerlich. "Ich habe in den vergangenen Wochen einige Versuche unternommen, ihm nach seinen gesundheitlichen Problemen Brücken zu bauen. Er ist leider nicht darauf eingegangen, das ist schade. Holger hätte uns bei der WM im Rahmen seiner Möglichkeiten helfen können", sagte Heuberger dem SID.

Linkshänder Glandorf hatte wegen einer Infektion monatelang pausieren müssen und war dreimal an der entzündeten linken Ferse operiert worden. Trotz seiner Einsätze für Flensburg fühlt er sich anscheinend noch nicht wieder hundertprozentig fit für eine WM-Teilnahme. "Ich habe ihm gesagt, dass ich darauf Rücksicht nehme und seine Einsatz- und Trainingszeiten dosieren kann. Doch er wollte nicht", berichtete Heuberger am Donnerstag. Glandorf hat in bisher 155 Länderspielen 536 Tore erzielt und war mit der DHB-Auswahl 2007 Weltmeister geworden.

Sein Vereinskollege Lars Kaufmann muss wegen einer langwierigen Knieverletzung passen. Der 30-Jährige ließ Heuberger wissen, dass die Zeit bis zur WM nicht mehr reiche, sich körperlich in die nötige Form zu bringen. Damit reist das DHB-Team personell geschwächt nach Spanien, da auch Linksaußen Uwe Gensheimer (Achillessehnenriss) von den Rhein-Neckar Löwen ausfällt. "Ohne Holger und Lars fehlen uns im rechten und linken Rückraum natürlich wichtige Säulen. Aber ich brauche Spieler, die voll hinter der Nationalmannschaft stehen", sagte Heuberger und kündigte an, den begonnenen Verjüngungsprozess systematisch zu forcieren.

Spieler wie Christian Dissinger, Steffen Fäth, Kevin Schmidt und Jens Vortmann, die erstmals beim letzten Lehrgang Anfang Dezember im Kader der Nationalmannschaft standen, hat Heuberger bewusst in den erweiterten WM-Kader aufgenommen. Auch Tobias Reichmann, Johannes Sellin, Kai Häfner und Tim Kneule zählen dazu.

(sid/rl/csr/csi)
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