Handball-Weltmeister Mut-Macher Deckarm wird 60 Jahre alt

Düsseldorf · Seit seinem schweren Sportunfall am 30. März 1979 ist der ehemalige Handballer ein Pflegefall. Aber er verlor nie die Freude an seinem neuen Leben und bewahrte sich seine positive Einstellung.

Am Sonntag steht Joachim Deckarm wieder im Mittelpunkt. Er wird 60 Jahre alt. Über 100 Gäste werden kommen, um in seiner Heimat Saarbrücken zu feiern. Weggefährten aus der Zeit, als er ein populärer und beliebter Weltklassehandballer war, werden dabei sein. Der Kontakt riss nie ab, nachdem aus dem umjubelten Sportler ein Pflegefall geworden war. "Die Art und Weise, wie Jo sein schweres Schicksal meistert, ist toll. Er versprüht eine Lebensfreude, mit der er ein perfektes Vorbild nicht nur für Sportler, sondern für alle Menschen in vergleichbarer Situation darstellt", sagt Heiner Brand. Seit ihren Handballtagen beim VfL Gummersbach besteht die tiefe Freundschaft mit dem Mann, "dessen Unfall ich bis heute eigentlich nie so richtig verdaut habe".

Während der Feier werden die Erinnerungen wach an den 30. März 1979, als der Mathematik- und Sportstudent aus seinem ersten Leben gerissen wurde. Nach einem Zweikampf mit Lajos Panovics im Europacup-Spiel bei Banyasz Tatabanya in Ungarn stürzte der Weltmeister von 1978 mit dem Kopf auf den nur mit einer PVC-Schicht bedeckten Betonboden. Die Diagnose: Hirnhautriss, doppelter Schädelbasisbruch, schweres Schädel-Hirn-Trauma.

131 Tage im Koma

Als Deckarm nach 131 Tagen aus dem Koma erwacht, beginnt sein zweites Leben "in der Entwicklungsphase eines Babys von 1,94 Meter Größe", wie es sein 1995 verstorbener Betreuer Werner Hürter formulierte. Deckarm muss alles lernen: gehen, lesen, essen, trinken, schreiben, rechnen. "Ich will, ich kann, ich muss", lautet sein Motto.

Das Apartment unweit des Saarbrücker Hauptbahnhofs, in dem er seit Juli 2002 im betreuten Wohnen lebt, dient auch als Fitnessraum. Fahrradergometer, Hanteln, kleine Sportgeräte — Hilfsmittel, um körperlich in Form zu bleiben. 20 bis 22 Stunden pro Woche trainiert Deckarm. Jeder Tag beginnt um 7.30 Uhr. Schwimmen gehört zum Programm. Seit einiger Zeit auch Klettern an den Wänden im Olympiastützpunkt. Schach, Skat und andere Spiele zur Steigerung der Konzentration sind Bestandteil des Alltags. Dazu zählt seit sieben Jahren auch seine Pflegerin Nicole Rosche. Sie wird derzeit von Jan und Moritz unterstützt. Die beiden absolvieren ein Freiwilliges Soziales Jahr.

Deckarm hatte den Vorteil, populär zu sein. Das half ihm, sein Schicksal zu meistern. Therapien, Operationen, Medikamente, Spritzen, Training — stets spielte er mit, so, wie er es als Leistungssportler in einem Team gewohnt war. Vor allem aber bewahrte er sich seine positive Einstellung. Sie wird deutlich, wenn er lacht und seine Augen glänzen.

Deckarm ist auf Hilfe angewiesen — auch auf finanzielle. Die Kosten der Reha und Pflege, rund 70.000 Euro pro Jahr, müssen gedeckt sein. Seit 1980 führt die Deutsche Sporthilfe die Jo-Deckarm-Stiftung. Das Deckarm-All-Star-Team bestreitet Spiele, deren Erlöse in den Fonds fließen wie auch jene aus dem Verkauf des Buches "Teamgeist — Die zwei Leben des Joachim Deckarm".

Der Jubilar, der sich in Gesellschaft am wohlsten fühlt, wird die Feier am Sonntag in seinem Rollstuhl genießen, auf den er allerdings gerne verzichten würde. "Allein laufen und Treppen ohne Hilfe steigen zu können, das wäre ein Traum", sagt er. Das Sprechen fällt ihm immer noch schwer. "Ich habe keinen Grund, traurig zu sein", versichert er. Man nimmt es ihm ab.

(RP)
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