Interview mit Bernhard Bauer Tag des Handballs zur Tradition machen

Düsseldorf · Der Verbands-Präsident Bernhard Bauer spricht im Interview mit unserer Redaktion über den "Fall Kraus", den Tag des Handballs, die Bedeutung der WM-Wildcard und die Bilanz nach einem Jahr im Amt.

 DHB-Präsident Bernhard Bauer glaubt, dass sich der Tag des Handballs positiv auf den Sport auswirkt.

DHB-Präsident Bernhard Bauer glaubt, dass sich der Tag des Handballs positiv auf den Sport auswirkt.

Foto: dpa, Axel Heimken

Der DHB und die Liga veranstalten morgen in Frankfurt/M. den Tag des Handballs. Höhepunkt ist die Bundesliga-Partie der Rhein-Neckar Löwen gegen Hamburg — vor über 40.000 Fans. Damit wird der im Mai 2011 in Dänemark aufgestellte Weltrekord (36.651) überboten.

Herr Bauer, was erhoffen Sie sich von dieser Veranstaltung?

Bernhard Bauer Er lenkt die Aufmerksamkeit auf unseren Sport. Nicht allein wegen des Zuschauer-Rekords, sondern vor allem, weil unsere Sportart sehr gut präsentiert wird in und um die Arena. Für die 1600 Kinder, die ihre Sieger in den Turnieren der C-und D-Jugend ermitteln, ist es ein besonderes Ereignis. Dazu das Promi-Spiel — und als Abschluss die Bundesligapartie. Ich glaube, dass der Handball insgesamt gewinnt.

Was bleibt nach dem 6. September?

Bauer Ich bin überzeugt, dass alle Beteiligten von diesem Tag begeistert sein werden. Für die Kinder, die ihre Finals in der Arena spielen dürfen, wird er unvergesslich sein. Ich glaube und wünsche mir auch, dass die Zuschauer ein gutes Spiel sehen und dann sagen: Wir schauen uns jetzt noch mehr Handballspiele sowohl von der Nationalmannschaft als auch in der Bundesliga an. Ich hoffe, dass wir mit den Erkenntnissen aus dem Tag des Handballs weitere Handballfeste feiern können - sicherlich nicht jedes Jahr, aber vielleicht alle drei Jahre.

TV-Bilder sind in 45 Ländern zu sehen...

Bauer Das ist schon eine besondere Resonanz, die durch das Interesse am Tag des Handballs geweckt ist. Viele möchten sehen, wie organisieren die Deutschen das, wie läuft das ab im Stadion? In Frankfurt ist das Spielfeld in der Mitte des Stadions, auch dies macht wunderbar deutlich, dass der Handball im Mittelpunkt steht.

Der DHB wollte einen hauptamtlichen Bundestrainer. Warum ist man davon abgerückt?

Bauer Wichtig war, dass wir perspektivisch einen Trainer haben, der hauptamtlich beim DHB tätig ist. Aber wir hatten ja auch noch weitere Kriterien für die Auswahl herangezogen: internationale Erfahrung, den Nachweis, erfolgreich in der Bundesliga und auf internationaler Ebene arbeiten zu können. Wir wollten einen Trainer, der international anerkannt ist, der für Entwicklung steht, der bereit ist, über den Tellerrand hinauszublicken und auch von anderen Sportarten zu lernen. Einen Trainer, der vor allem junge Spieler einbauen kann. Wenn man all diese Kriterien zusammennehmen, dann sind wir mit guten Gründen auf Dagur Sigurdsson gekommen. Aber es war für uns eine wichtige Bedingung, dass die Doppelbelastung als Bundestrainer und Vereinscoach in Berlin längstens eine Saison dauern darf.

Der neue Bundestrainer Dagur Sigurdsson hat sein Aufgebot für die Schweiz-Länderspiele benannt. Erstmals ist kein Weltmeister von 2007 dabei. Ist es das sichtbare Zeichen einer neuen Zeitrechnung?

Bauer So kann man es nicht sagen. Richtig ist, dass Holger Glandorf seinen Rücktritt erklärt hat und dass Michael Kraus noch nicht so weit ist, dass er eingesetzt werden kann. Aber wir haben ja auch gesagt, dass wir perspektivisch arbeiten möchten. Der Bundestrainer soll junge Spieler einbauen. Insofern ist es ein Aufbruch, aber auch eine Aufforderung an alle Spieler, zu zeigen, dass sie gewillt sind, im Nationalteam zu spielen und alles dafür tun werden, damit unsere Mannschaft erfolgreich ist. Dagur wird aus seiner Sicht ein zukunftsfähiges Team zusammenstellen.

Sportlich war die Männer-Nationalmannschaft in den Play-offs an Polen gescheitert, dann ging es dank einer Wildcard auf Kosten Australiens doch noch zur WM nach Katar.

Bauer Ich kann die Enttäuschung der Australier verstehen. Ich kann auch die Leute verstehen, die sagen, die Deutschen haben sich sportlich nicht qualifiziert, wieso sollen die mit einer Wildcard teilnehmen dürfen? Der Weltverband IHF hat, nach allem, was ich jetzt weiß, sehr demokratisch entschieden und nicht über Köpfe hinweg. Man hat Australien und Ozeanien schon im April gesagt, eure Qualifikation können wir nicht anerkennen, und wir sind dabei, diese auf neue Grundlagen zu stellen. Schon im Mai, also vor den Play-offs, wurde die Regel für Nachrücker neugestaltet, so dass die beste, nicht qualifizierte Nation der vorangegangenen WM nachrückt.

Wird die WM ein großes Fest?

Bauer Nachdem, was ich bisher gesehen habe, ist die Organisation perfekt: Tolle Hallen, hervorragende Unterbringung, relativ kurze Wege, wenn man sonst oft gewöhnt ist, ganze Landstriche durchfahren zu müssen.

Hat der DHB damit gerechnet?

Bauer Es kam für uns völlig überraschend. Wenn man in einer Verantwortung steht, dann wird man so ein Angebot nicht ablehnen. Ich möchte nicht wissen, was man uns vorgeworfen hätte, hätten wir die Wildcard nicht angenommen. Wir wissen doch alle, dass jeder Wettbewerb nicht nur sportliche, sondern auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Gesichtspunkte hat, die unglaublich wichtig sind für die Präsenz der Sportart in der öffentlichen Wahrnehmung.

Ist daran gedacht worden, Australien in irgendeiner Form zu entschädigen?

Bauer Wir haben keine Gespräche geführt. Ob und was die IHF macht, weiß ich nicht.

Katar und WM — das passt im Fußball nicht wirklich perfekt. Befürchten Sie, dass die Negativschlagzeilen des Fußballs auf den Handball zurückstrahlen?

Bauer Natürlich wird man über Katar immer aus unterschiedlichsten Gründen diskutieren. Aber die beiden Turniere sind nicht zu vergleichen. Wir sind in einer Jahreszeit dort, in der die Temperaturen bei 25 bis 27 Grad liegen. Dann sind wir in Hallen und nicht in Stadien, zu Jahreszeiten, in denen man dann mit Außentemperaturen von 45 Grad rechnen muss. Die Bedingungen im Januar sind eigentlich ganz normal.

Wann sagt der DHB-Präsident, es war eine gute WM?

Bauer Wir haben eine überraschende Chance bekommen. Jeder Spieler ist nun in der Pflicht zu beweisen, dass wir zu Recht dabei sind. Insofern spreche ich dann von einer guten WM, wenn wir das Achtelfinale, besser das Viertelfinale erreichen - und das mit einer zukunftsfähigen Mannschaft, bei der man Entwicklungsschritte sieht und die Begeisterung hervorruft.

Michael Kraus ist vom Vorwurf des Dopingvergehens freigesprochen worden. Es gibt kritische Stimmen mit Blick darauf, dass Handballer über einen Handballer urteilten.

Bauer Zunächst einmal ist dieses System bei Sportverbänden ja nicht unüblich. Ich habe stets betont, dass die Anti-Doping-Kommission des DHB unabhängig ist. Sie hat eine richterliche Funktion und ist in ihren Entscheidungen völlig frei. Der DHB steht im Anti-Doping-Kampf für die Null-Toleranz-Linie. Wenn aber in einer Verhandlung Zweifel aufkommen, weil auch der Kontrolleur nicht sagen kann, ob die Türklingel zu hören war, kann man angesichts der drastischen Folgen nicht jemanden bestrafen, der in dieser Situation nichts für ein Versäumnis kann.

Sie fordern ein effizienteres System. Vorschläge?

Bauer Man muss sich an bestehende Regeln halten. Man muss aber auch sehen, dass die von den Athleten geforderten Pflichten unglaublich groß sind. Darüber lässt sich immer leicht reden, wenn man diesen nicht selbst nachkommen muss. Wenn man aber sieht, was es für jeden Athleten bedeutet, glaube ich schon, dass es wert ist, über andere Wege nachzudenken. Ist es notwendig, dass man seine Aufenthaltsorte quartalsweise eingeben muss? Oder kann man zum Beispiel im Mannschaftssport anders vorgehen?

Wie könnte dies aussehen?

Bauer Ein Patentrezept habe ich nicht. Deshalb sollten sich die Experten zusammensetzen und überlegen, wie man hier vorgehen könnte. Ich möchte ein effizientes System, aber ich möchte auch ein System, das Rücksicht auf die Lebensweise der Athleten nimmt.

Wie lautet Ihr Fazit nach fast einem Jahr als DHB-Präsident?

Bauer Es ist ein Amt, das den Hauptteil meiner Zeit einnimmt. Es erfordert mehr Aufwand, als ich gedacht habe. Insofern habe ich die Arbeit unterschätzt. Sie fordert mich, aber auch viele andere im Präsidium, voll. Doch das ist so, wenn man manches umgestalten muss, um erfolgreich zu sein. Ich denke, wir haben schon einiges erreicht. Und am 15. September fängt in Mark Schober ein hauptamtlicher Generalsekretär an. Wir haben dann ein Team, das manches einfacher werden lässt. Ich hoffe, dass wir in gute Handballzeiten kommen.

Mit dem Wissen von heute, hätten Sie das Amt in Düsseldorf übernommen?

Bauer Man darf das nie fragen, denn nachher ist man immer reifer und schlauer. Ich habe mich ja dafür entschieden. Und es ist halt so, wie es nun gekommen ist. Mein Wochenplan ist voll mit Handball-Themen. Es gibt mit meiner Frau ab und zu schon mal Diskussionen, ob ich nicht zu häufig unterwegs bin, oder, wenn ich dann Zuhause bin, zu viel für den Handball arbeite

ECKHARD CZEKALLA FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort