Final Four in Köln Alfred Gislason — der Architekt des Kieler Handballs

Düsseldorf · Trainer Alfred Gislason ist ein Garant für die Erfolge des Bundesligisten. Beim Final 4 der Champions League in Köln hofft der deutsche Rekordmeister auf den vierten Triumph. Im Halbfinale wartet morgen Ungarns Topteam Veszprem.

 Kiels Trainer Alfred Gislason.

Kiels Trainer Alfred Gislason.

Foto: dpa, reh jai

Auch morgen wird Alfred Gislason wieder oft mit vor seiner Brust verschränkten Armen den Blick aufs Spielfeld werfen, an der Außenlinie auf und ab tigern und aufmerksam verfolgen, wie seine Mannschaft die Taktik mit Leben erfüllt. Der Isländer, inzwischen 55 Jahre alt, findet immer wieder etwas zum Verbessern.

Seit er 2008 vom THW Kiel aus dem Vertrag beim VfL Gummersbach herausgekauft worden war (man spricht von 750 000 Euro Ablöse), wurde er zum Architekt des Kieler Erfolges. Nur 2011 wurde die Meisterschaft verpasst, viermal in sieben Jahren der DHB-Pokal gewonnen. Und nun hofft der deutsche Rekordmeister beim Final 4 der Champions League auf den nächsten Coup.

"Meine Aufgabe ist es, dass wir mit dem THW den bestmöglichen Handball spielen. Um andere kann ich mir da keine Sorgen machen", antwortet Gislason auf den Vorwurf, die Kieler machten die Liga langweilig. Der Erfolgscoach hat einen Kader, der allerhöchsten Ansprüchen genügt. Fast jede Position ist mit Weltklasseleuten besetzt, und das doppelt. Qualität, die heute und morgen von allen abgerufen werden muss, soll nach 2007, 2010 und 2012 der vierte Triumph in der Königsklasse gelingen.

Halbfinalgegner Veszprem, gerade wieder ungarischer Champion geworden, kommt selbstbewusst nach Köln. Wie der FC Barcelona und Polens Meister Kielce, so hat auch das Team um die Ex-Kieler Momir Ilic und Christian Zeitz die Mittel, den Pokal zu gewinnen.

Der Bundesligist hat eine ungewöhnlich lange Vorbereitung hinter sich. Im DHB-Pokal schon früh gescheitert, absolvierte die Mannschaft in den zurückliegenden 36 Tagen nur je zwei Punkt- und Freundschaftsspiele bestritten, darunter die Partie in Istanbul. Dort hat die Fluglinie Turkish Airlines, die als neuer Hauptsponsor im Gespräch ist, ihren Sitz. "Wir sind auf alle drei Gegner gut vorbereitet", sagt Gislason. In den vergangenen Tagen hat er wieder viel Zeit mit dem Studium von Videoaufnahmen zugebracht, wobei ihn Jörn-Uwe Lommel, seit Sommer 2014 sein Assistent, tatkräftig unterstützte. Gislason hatte sich schon früh in dieser Saison von den Teams, denen er den Sprung nach Köln zutraute, umfangreiche Datenbanken angelegt.

Erstmals haben sich die Sieger der vier Gruppen qualifiziert. Ein Zeichen, wie schwer der Weg zum Titel ist. "Alle Teams sind auf Augenhöhe", sagt Gislason. Er sieht aber Barcelona einen Tick über den drei Rivalen. "Es macht keinen Sinn, über einen Favoriten zu sprechen", betont Rückraum-Ass Filip Jicha. "Aber sicher ist: Wir brauchen alle 16 Spieler, wenn es der Moment erfordert", ergänzt Kiels Kapitän. Die Tagesform wird über Sieg und Niederlage entscheiden. Vor allem der Kieler Rückraum hat durch die Verpflichtungen von Joan Canellas, Domagoj Duvnjak (beide Hamburg) und Steffen Weinhold (Flensburg) an Klasse noch zugelegt. In der vergangenen Saison war Linkshänder Marko Vujin als bester Kieler Werfer zugleich auch Bundesliga-Torschützenkönig. Diesmal ist kein THW-Profi in den Top 10 zu finden, obwohl die Mannschaft wieder die meisten Treffer erzielt hat. Ein Zeichen, wie unberechenbar das Spiel der Kieler ist.

Sorgen bereitet allerdings die Position des Torhüters. "Andreas Palicka muss schon einen sehr guten Tag haben, wenn wir ins Finale kommen wollen", sagt Gislason. Johan Sjöstrand, Schwede wie Palicka, hat sich bei der WM im Januar in Katar das sogenannte Maltafieber zugezogen und fällt schon lange aus. Palicka, durch eine Oberschenkelverletzung einige Wochen außer Gefecht, hat einen "starken Monat hinter sich" (Gislason). Kim Sonne-Hansen, 22 Jahre alter Däne, hat ebenfalls schon gezeigt, dass er mehr sein kann als nur die Nummer drei.

Noch steht der THW Kiel in dieser Saison ohne Titel da. Drei Tage nach dem Turnier in Köln wartet die Bundesliga-Partie in Hannover, zwei Tage später das Saisonfinale gegen Gummersbach. Kiel braucht noch zwei Punkte. Das ist gut machbar, wohl einfacher als der Triumph in Köln. Unabhängig davon, ob es ein Titel oder zwei werden: Gislason wird sich wieder in sein ehemaliges Kutscherhaus nahe Magdeburg zurückziehen, das er Stein für Stein umgebaut hat und in dessen Garten er so herrlich entspannen kann. Dann wird Kraft getankt für die neue Saison, in der Gislason mit Kiel wieder ganz oben stehen will.

(RP)
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