Verkehrte Welt in Kiel Meistertitel futsch, Gislason unter Druck

Der THW Kiel ist zurzeit nur ein Schatten seiner selbst. Mit der unglücklichen 26:27-Niederlage in Magdeburg büßte der Rekordmeister wohl die letzte Chance auf die Liga-Krone ein.

 Kiel-Trainer Alfred Gislason.

Kiel-Trainer Alfred Gislason.

Foto: dpa, ua hak

Alfred Gislason war restlos bedient. Die Fans in der Magdeburger Arena feierten noch minutenlang euphorisch den Last-Second-Coup ihrer Mannschaft, da realisierte der Trainer des THW Kiel langsam die Tragweite des neuerlichen Tiefschlags für sein Starensemble. Zwei Spielzeiten nacheinander ohne Meisterschaft - das hat es in Kiel seit 13 Jahren nicht gegeben.

"Acht Minuspunkte sind wohl zu viel, um noch deutscher Meister werden zu können", sagte Gislason nach der 26:27-Niederlage beim SC Magdeburg mit fahlem Gesicht. Ausgerechnet in seinem alten Wohnzimmer musste Gislason, der von 1999 bis 2006 beim SCM auf dem Trainerstuhl saß, den erneuten Titel-K.o. mit den Zebras eingestehen. Mit nunmehr acht Minuspunkten, fünf mehr als Tabellenführer SG Flensburg-Handewitt und vier mehr als Titelverteidiger Rhein-Neckar Löwen, dürfte die Schale futsch sein. Und das Anfang März!

Mehr noch: Sogar die Qualifikation für die Königsklasse ist nach der vierten Saison-Niederlage plötzlich in Gefahr. Die Füchse Berlin sind als Vierter bis auf zwei Minuspunkte an die Zebras herangerückt. Champions League ohne Dauergast Kiel? Das hat es zuletzt in der Saison 2003/04 gegeben.

Manager Storm stärkt Gislason den Rücken

Schuld an dem Debakel sind "wir alle - in erster Linie aber die Spieler", sagte THW-Manager Thorsten Storm dem SID: "Ein Trainer ist für die Einstellung und die Taktik zuständig, aber die Tore selbst erzielen kann er nicht auch noch." Gislason habe "mit jungen Spielern einen mutigen Neuanfang gemacht, und er investiert alles in die Weiterentwicklung des Teams und jedes einzelnen Akteurs. Ein solch gravierender Umbruch ist nie ohne kurzfristige Rückschläge zu meistern und braucht Zeit, das haben wir immer betont."

Dennoch erlebt Klub-Ikone Gislason, der seit 2008 mit den Zebras zweimal die Champions League und insgesamt 14 nationale Titel holte, beim THW zurzeit seine bislang schwierigste Zeit. Die jüngsten Rückschläge nagen an ihm. Erst am Wochenende kassierte der langjährige Branchenprimus seine fünfte (!) Niederlage in der aktuellen Champions-League-Saison (bei zwölf Spielen), nun folgte die nächste Pleite in der Liga.

"Es war ein gutes Spiel von uns, und wir hätten mindestens einen Punkt verdient gehabt", sagte Gislason und haderte einmal mehr mit der schlechten Chancenauswertung seines Teams in Magdeburg: "Wir waren in einigen wenigen Momenten zu überhastet." THW-Kapitän Domagoj Duvnjak versicherte, dass man auch nach dieser unglücklichen Niederlage nicht aufgeben und versuchen werde, "bis zum Ende der Saison jedes Spiel zu gewinnen". Richtig überzeugt klang der Kroate dabei nicht.

Die Stars scheinen mit dem hohen Druck zurzeit nicht klar zu kommen. Selbst die Kieler Nachrichten titelten unter der Woche verwundert: "Was ist los mit dem THW?" Die Lokalzeitung berichtete zudem über wachsende Kritik an Gislason unter den Anhängern. "Beobachter wollen erkennen, dass der Isländer die Mannschaft nicht mehr erreicht, ausgebrannt ist, sein Team vor allem in Auszeiten nicht mehr wachrütteln kann", schrieb die KN.

Storm will von Endzeitstimmung allerdings absolut nichts wissen. "Wir sind momentan Dritter in der Bundesliga, stehen im Achtelfinale der Champions League und haben nach drei Jahren Abstinenz endlich wieder das Final Four um den DHB-Pokal erreicht", sagte er dem SID: "Ziele gibt es also noch mehr als genug."

(sid)
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