Handball-WM Katar greift unter höhnischem Applaus nach Gold

Doha · Katar steht bei seiner Heim-WM sensationell im Finale gegen Frankreich. Die Diskussionen über die Erfolge des Multi-Kulti-Teams reißen jedoch nicht ab.

 "Daumen hoch" für die Schiedsrichter gab's von den Polen. Als aufrichtiges Kompliment war das nicht gemeint.

"Daumen hoch" für die Schiedsrichter gab's von den Polen. Als aufrichtiges Kompliment war das nicht gemeint.

Foto: dpa

Trainer Valero Rivera wurde von den Scheichs beinahe erdrückt, die Spieler tanzten in der Kabine Polonaise: Katars Multi-Kulti-Handballer greifen bei der WM im eigenen Land tatsächlich nach dem Titel. Ein Erfolg im Finale gegen Olympiasieger Frankreich am Sonntag (17.15 Uhr/Live-Ticker) wäre nicht weniger als eine Sensation - doch die Erfolge des kleinen arabischen Emirats, das nur halb so groß ist wie Hessen, haben einen bitteren Beigeschmack.

Coach Rivera saß nach dem 31:29 im Halbfinale gegen Polen auf dem Podest und strahlte übers ganze Gesicht, als sich seine Miene von einer Sekunde auf die andere schlagartig verfinsterte. "Ich spreche nur über Handball. Das ist mein Job", sagte der spanische Weltmeistertrainer von 2013. Die Frage, welcher Spieler wohl als nächstes für die Auswahl Katars auflaufen werde, mochte er nicht beantworten, stattdessen redete er lieber über den erstmaligen Einzug eines nicht-europäischen Teams in ein WM-Finale.

Die umstrittene Einbürgerungspraxis des Gastgebers (nur vier der 16 Spieler sind Einheimische) ist bei weitem nicht das einzige Thema, das angesichts des märchenhaften Aufstiegs der Katarer zur neuen Handball-Weltmacht für Diskussionen sorgt. Vor allem die bisherigen Schiedsrichterleistungen stoßen in der Szene übel auf. Nach dem Achtelfinale (29:27) schimpften die Österreicher, nach dem Viertelfinale (26:24) polterten die Deutschen - und auch im Halbfinale am Freitagabend sorgten die Pfiffe der Referees immer wieder für ungläubiges Kopfschütteln.

"Ich habe das Österreich-Spiel gesehen, ich habe auch das deutsche Spiel gesehen, und ich habe unser Spiel gesehen", sagte Polens Trainer Michael Biegler, "ich glaube, das muss ich jetzt nicht mehr kommentieren." Musste er auch nicht, denn was das polnische Team von der Leistung der serbischen Unparteiischen hielt, war nicht zu übersehen. Unmittelbar nach der Partie bildeten die Spieler ein Spalier und klatschten den Referees höhnisch Beifall. "Die Entscheidungen der Schiedsrichter waren zu Gunsten der Gastgeber", sagte Rückraumspieler Piotr Maslowski und machte seinem aufgestauten Ärger Luft.

Rivera ließ die aufgeladene Stimmung dagegen gänzlich kalt. Der Vater des katarischen Handball-Wunders nutzte die Bühne der Pressekonferenz, um seinen Spielern, dem einheimischen Verband und der katarischen Regierung zu danken. Mal wieder. "Der Verband leistet eine unglaubliche Arbeit, die Regierung unterstützt den Sport, und das Team gibt immer 100 Prozent", sagte Rivera.

Die Siege von Doha sind für das aus aller Herren Länder zusammengekaufte Team äußerst lukrativ: So soll jeder Spieler neben seinem fürstlichen Grundgehalt von monatlich über 30.000 Euro eine Siegprämie von 100.000 Euro für jeden WM-Erfolg einstreichen. Für den Einzug in die Vorschlussrunde gab es angeblich eine lebenslange Rente. Kaum vorstellbar, was bei einem möglichen Endspiel-Triumph auf die katarischen Handball-Söldner warten würde.

Handball: Gastgeber Katar sensationell im Endspiel
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Gastgeber Katar sensationell im Endspiel

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Die schlachtenerprobten Franzosen, die Titelverteidiger Spanien im Halbfinale aus dem Turnier warfen, scheinen unterdessen mehr Respekt vor den Begleitumständen als vor dem Gegner zu haben. "Wenn du gegen den Gastgeber spielst, musst du fünf, sechs Tore besser sein", sagte der frühere Welthandballer Daniel Narcisse, "aber wir wissen, wie ein Finale funktioniert".

Und Superstar Nikola Karabatic versprach: "Wir sind sehr hungrig. Wenn du in ein Finale gehst und verlierst, dann ist es das schlimmste Gefühl auf der Welt."

(sid)
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