"Verrückt" und "faszinierend" Handball-Hype: ARD und ZDF schauen in die Röhre

Doha · Die deutschen Handballer haben mit dem vorzeitigen Einzug ins WM-Achtelfinale eine neue Euphorie für ihre Sportart entfacht. Die Öffentlich-Rechtlichen schauen jedoch in die Röhre.

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Deutschland nach Sieg gegen Argentinien im Achtelfinale

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Ihre Handys summten und klingelten im Sekundentakt, als die deutschen Handballer am Freitagmittag zur Jeep-Safari in die Wüste vor den Toren Dohas aufbrachen. "Das ist schon verrückt", sagte Torhüter Carsten Lichtlein nach seiner Gala-Vorstellung gegen Argentinien: "Wir bekommen nach den Spielen unzählige Nachrichten. Selbst Roman Weidenfeller und Dirk Nowitzki haben mir geschrieben."

Die bemerkenswerten WM-Erfolge der Mannschaft von Bundestrainer Dagur Sigurdsson und das vorzeitige Erreichen des Achtelfinals haben in der Heimat eine neue Euphorie für die zuletzt so arg gebeutelte Sportart entfacht. Doch nicht nur bei den Fans erwachen allmählich Erinnerungen an 2007, an das goldene Wintermärchen im eigenen Land. "Wenn wir weiter gewinnen, dann wird die Euphorie immer größer, das haben wir auch 2007 gemerkt. Von Spiel zu Spiel wurde das immer mehr, und zum Schluss war das dann ein Hype. Wir hoffen, dass es noch weit geht", sagte Lichtlein.

Nun winkt "Lütti" und Co. bei einem Sieg gegen den krassen Außenseiter Saudi-Arabien am Samstag (17.00 Uhr/im Live-Ticker) aber erst mal der Gruppensieg - und damit eine glänzende Ausgangsposition für die am Montag beginnenden K.o.-Spiele.

Die Glückwünsche kamen für Lichtlein und seine Teamkollegen von überall. Die Fußball-Weltmeister Mario Götze und Benedikt Höwedes gehörten ebenso zu den Gratulanten wie Beachvolleyball-Olympiasieger Jonas Reckermann oder der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB). 15 Millionen Social-Media-Kontakte zählte die Presseabteilung des Verbandes seit Anfang des Turniers, Bezahlsender Sky jubelt über rasant wachsende Quoten - während sich die aus dem dubiosen Rechte-Poker abgesprungenen Öffentlich-Rechtlichen immer mehr ärgern dürften.

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Deutschland holt Punkt im Krimi gegen Dänemark

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Hassan Moustafa, Präsident des Handball-Weltverbandes IHF, hatte ARD und ZDF vorgeworfen, zu wenig Geld für die Übertragungsrechte geboten zu haben. "Da wollte der Rechteinhaber beIN Sports mehr. Das ist völlig legitim." Und Moustafa legte nach: "Wenn ARD und ZDF mehr geboten hätten, hätten sie womöglich den Zuschlag bekommen." Behauptungen, die bei ARD und ZDF für Kopfschütteln und Wut sorgen. Unter dem Strich bleiben die TV-Geräte in den meisten Haushalten während der WM schwarz.

Trotzdem: "Wir sind fasziniert, was in Deutschland abgeht", sagte DHB-Präsident Bernhard Bauer dem SID: "Die bisherigen Spiele haben gezeigt, dass Handball einen unglaublich guten Humus in Deutschland hat. Und wenn wir Erfolg haben, kann mit unserer Mannschaft ein kleines Märchen entstehen. Vielleicht wird wieder etwas Größeres daraus."

Als Belohnung für die 7:1 Punkte aus den ersten vier WM-Spielen gab Bundestrainer Sigurdsson seinen Spielern am Freitag trainingsfrei und fuhr mit ihnen in die Wüste - Jeep-Tour in den Dünen Dohas und gemeinsames Abendessen im Zelt inklusive.

"Die Jungs haben vier Spiele richtig ackern müssen, nun sollen sie Kraft tanken für die kommenden Aufgaben", sagte der Isländer. Sigurdsson kündigte zwar an, seiner Zweiten Reihe gegen die saudischen Feierabend-Handballer vermehrt Einsatzzeiten zu geben, erklärte das abschließende Gruppenspiel aber gleichzeitig zur "Ehrensache".

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Die bisherigen WM-Auftritte der Auswahl des Deutschen Handballbundes machen Lust auf mehr. Imponierend war vor allem die Art und Weise, mit der sich die neu formierte und vergleichsweise unerfahrene Mannschaft aus kritischen Situationen befreite. Auch vom Halbzeit-Rückstand gegen die quirligen Gauchos ließen sich Kapitän Uwe Gensheimer und Co. nicht aus der Ruhe bringen und siegten am Ende - auch dank der zahlreichen Paraden von Keeper Lichtlein - souverän.

"Vor dem Turnier hat gar keiner mit uns gerechnet. Wir waren die Loser, die nur dank einer Wildcard dabei sind. Jetzt haben wir es allen bewiesen, dass wir es doch können", sagte Kreisläufer Patrick Wiencek mit einem Schuss Genugtuung in der Stimme. Und Sigurdsson ließ keinen Zweifel daran, dass sein Team weiter Vollgas geben wird: "Das erste Ziel ist erreicht, jetzt wollen wir angreifen und weiter frischen und frechen Handball spielen."

Welchen Gegner er sich für das Achtelfinale wünscht, wollte der 41-Jährige nicht verraten. Tschechien, Island oder Ägypten - bei welchem möglichen Kontrahenten er das beste Gefühl habe? "Ich habe ein gutes Gefühl", sagte Sigurdsson und lächelte, "bei unserer Mannschaft".

(sid)
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