Handball-WM Der alte Mann und das Tor

Rouen · Im Handballtor setzen viele Nationen auf Erfahrung. Der Franzose Thierry Omeyer ist der Star der älteren Generation.

 Mit 40 Jahren ist Thierry Omeyer noch unumstrittener Leistungsträger.

Mit 40 Jahren ist Thierry Omeyer noch unumstrittener Leistungsträger.

Foto: rtr, SM/DAM

Nein, es tummelten sich keine Kinder auf dem Platz, die gerade anfingen, Handball als Wettkampf zu betreiben. Es waren Erwachsene, von denen einige in Spanien, Frankreich und der Schweiz damit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Kaum zu glauben, aber wahr: Nach den ersten 30 Minuten des WM-Spiels gegen Katar hatten die argentinischen Profis gerade mal zwei Tore erzielt.

Im Zusammenspiel mit seiner Abwehr hatte Danijel Saric die auf diesem Niveau sehr ungewöhnliche Bilanz geschafft. Der in Bosnien-Herzegowina geborene Torhüter, der auch für Serbien international spielte, hat seit 2013 zudem die katarische Staatsbürgerschaft und war maßgeblich am überraschenden Gewinn der WM-Silbermedaille vor zwei Jahren in Katar beteiligt.

Mit 39 Jahren gehört Saric, der bis Sommer 2016 noch beim FC Barcelona spielte und nun bei Al Qayada gutes Geld verdient, zu den alten Männern, die bei der WM in Frankreich im Tor stehen. Dass man nicht zwingend einen athletischen Körper haben muss, zeigt sich bei den Treffen der Saudis. Wer deren Torhüter Manaf Alsaaed in seiner legeren Kleidung begegnet, vermutet bei 137 Kilo und 189 Zentimetern Körpergröße nicht zwingend einen Leistungssportler. Doch gegen die deutsche Mannschaft zeigte der 40-Jährige, warum er es auf über 210 Länderspiele gebracht hat. Akrobatische Einlagen, mit denen Silvio Heinevetter versucht, die Werfer zu irritieren, sind von ihm nicht zu erwarten. Mit seiner Ruhe und sparsamen Bewegungen machte er allerdings so manche Chance der nicht immer konzentriert wirkenden Deutschen zunichte.

Star der alten Männer im Tor ist Thierry Omeyer. Der Franzose ist der eifrigste Titelsammler der Handball-Geschichte. Weltmeister (viermal), Europameister (dreimal), Olympiasieger (zweimal), jeweils 13 Mal Meister und Pokalsieger in Frankreich und Deutschland, mit Montpellier (2003) und Kiel (2007, 2010, 2012) ) auch Champions-League-Sieger - Omeyer, der auch im Alltag schlecht verlieren kann, bekommt von Titeln nie genug.

"Ich bin immer gerne ins Tor gegangen, weil ich nicht verlieren wollte. Und ich habe schnell gemerkt, dass dem Torwart eine wichtige Rolle zukommt", berichtet der 40-Jährige von seinen Anfängen als Jugendlicher. Der erstmals im Jahr 2000 zum Torhüter des Jahres in Frankreich gewählte Omeyer zählt zu den Ehrgeizigsten seiner Zunft. Er überlässt nichts dem Zufall, schaut schon seit vielen Jahren Videos von Gegenspielern und studiert deren Wurfbilder. Heutzutage ist dies allerdings nicht mehr ungewöhnlich.

Andreas Wolff steht dem Franzosen in Sachen Ehrgeiz nicht nach. Trainingsende bedeutet für ihn nicht Feierabend. Zusatzschichten sind normal. "Ich bin nicht Leistungssportler geworden, um Trinkflaschen zu reichen", sagte er vor zwei Jahren bei der WM in Katar. Damals war er eine Randfigur, nur die Nummer drei hinter Heinevetter und dem Gummersbacher Carsten Lichtlein.

Im vergangenen Jahr wurde er zu einem der Gesichter des deutschen Handballs. Wolff versucht eher auf die ruhige Art, das Psycho-Duell mit dem Gegner zu dominieren. Kann er den Angreifer zum Nachdenken zwingen, schafft er es, dessen Selbstverständlichkeit beim Wurf zu erschüttern, hat er schon viel gewonnen. Stimmt dann noch das Zusammenspiel mit seinen Vorderleuten in der Abwehr, von denen keiner unter 1,92 Meter misst, wird es schwer, ihn zu überwinden.

Torhüter sind oft die letzte Hoffnung. Mit ihren Leistungen können sie eine Mannschaft aus einem Tief holen. Steht die Abwehr, ist der Druck geringer, mit jedem Angriff selbst ein Tor erzielen zu müssen. Und auf Thierry Omeyer konnten sich seine Mitspieler oft genug verlassen. Er hat die Chance, als erster Handballer den WM-Titel zum fünften Mal zu gewinnen, 16 Jahre nach der Premiere, damals ebenfalls in Frankreich. Omeyer und seine Kollegen bei den WM-Teams, von denen viele die 30 längst überschritten haben, sind die besten Beispiele dafür, dass Erfahrung im Handball-Tor viel ausmacht.

In den letzten fünf Minuten, in denen oft erst die Frage nach dem Sieger und Verlierer beantwortet wird, die wichtigen Bälle halten - das ist die Qualität, die die Besten auszeichnet. Omeyer, der nach der Weltmeisterschaft seine Nationalmannschafts-Karriere wohl beenden und sich auf seinen Arbeitgeber Paris St. Germain konzentrieren wird, hat diese Qualität.

(RP)
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