Das Märchen von Kopenhagen Als Heiner Brand und Co. zu Handball-Helden wurden

Vor 40 Jahren wurden die deutschen Handballer um Heiner Brand in Kopenhagen Weltmeister. Der Underdog düpierte in einem dramatischen Finale die Sowjetunion.

Heiner Brand und Joachim Deckarm jubeln im März 1976 während eines Olympia-Qualifikationsspiels zwischen DDR und BRD. Zwei Jahre späte werden sie gemeinsam Weltmeister.

Heiner Brand und Joachim Deckarm jubeln im März 1976 während eines Olympia-Qualifikationsspiels zwischen DDR und BRD. Zwei Jahre späte werden sie gemeinsam Weltmeister.

Foto: dpa, Günter Bratke

Kopenhagen, 5. Februar 1978, 16.48 Uhr. Als Joachim Deckarm den letzten Wurf geblockt hatte, stürmten die deutschen Fans auf das Spielfeld. Sie setzten Trainer Vlado Stenzel eine goldene Pappkrone auf und warfen ihn immer wieder in die Luft. Mit 20:19 hatte seine junge Mannschaft die Sowjetunion im Finale düpiert, Deutschland war zum zweiten Mal nach 1938 Handball-Weltmeister. Und "Magier" Stenzel wurde zum König von Kopenhagen gekrönt. Ein Stück deutsche Sportgeschichte.

"Diesen Moment werde ich nie vergessen", sagt Stenzel noch heute, 40 Jahre später. Für den Handball war dieser 5. Februar 1978 so etwas wie das Wunder von Bern für den Fußball. Ein Mythos, an den man sich gerne erinnert, über den immer noch gesprochen wird, der Legenden wie Stenzel, Deckarm, der gerade zum besten Spieler der Welt reifte und ein Jahr später so schwer stürzte, Heiner Brand oder Erhard "Sepp" Wunderlich hervorgebracht hat. Die Amateure und Studenten vom Deutschen Handballbund (DHB) schnappten dem großen Favoriten den Titel weg. "Wir waren Feierabend-Weltmeister", sagte Kurt Klühspies einmal.

Aber sie waren ein verschworener Haufen, dafür sorgte Stenzel. Der gelernte Chemielaborant aus Zagreb fand unter anderem mit Fragebögen heraus, wer mit wem konnte. Und Stenzel übertrug seinen Ehrgeiz auf das Team. "Als ich nach Deutschland kam, da haben viele Nationalspieler gerade einmal zwei Mal die Woche trainiert", sagte Stenzel, der 1972 in München mit seinem Heimatland Jugoslawien Olympiasieger geworden war, dem SID: "Aus der Pampe musste ich dann eine große Mannschaft formen." Es gelang.

Spieler sollten am Abend vor dem Spiel Bier trinken

Stenzel regierte mit harter Hand, ließ seinen Leistungsträgern aber auch Freiräume. Spielern wie Brand, dem Abwehrchef mit dem Schnauzer, drückte er am Abend vor dem großen Finale zwei, drei Dosen Bier in die Hand - damit sie besser schlafen konnten. Auf dem Zimmer wurden die Pils dann geleert, mit den Büchsen die Spielzüge der Sowjets nachgestellt. Entscheidende Tipps kamen dabei vom damaligen Kapitän der DDR, Wolfgang Böhme suchte immer wieder die Nähe zum "Klassenfeind" und gesellte sich auch an diesem Abend verbotenerweise zu Brand und Co.

Heiner Brand: Weltmeister, Handball-Legende, Schnauzbart-Träger
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Die deutsche Mannschaft - Durchschnittsalter von 23,4 Jahren - führte vor 7000 Zuschauern in der 44. Minute sensationell mit 16:12. Vier Minuten vor dem Ende hieß es dann 20:16, ehe die UdSSR noch einmal heran kam und in den Schlusssekunden den Ausgleich verpasste. Deckarm avancierte zum Matchwinner: Seinen sechs Toren folgte der Block des letzten Wurfs.

Die Tragweite des Triumphes wurde Brand erst später bewusst. "Wir haben das sicherlich mit Stolz wahrgenommen, dass wir gegen den Ostblock gewonnen haben, aber uns noch keine Gedanken gemacht, dass das auch ein Sieg unseres Systems war", sagte der Weltmeister-Trainer von 2007 dem Deutschlandfunk: "Das war gar nicht in unserer Vorstellungskraft." Zum Dank gab es als Prämie einen Gutschein von einem Möbelhaus über 1000 Mark.

(sid)
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