Gegenpressing Hört auf, den Ball ins Aus zu spielen!

Es ist zur Unart geworden, das Spiel zu unterbrechen, wenn ein Fußballer auf dem Boden liegt. Der Fair-Play-Gedanke wird so vom vermeintlichen Opfer mit Füßen getreten.

 Fällt ein Fußballer, wird der Ball in der Folge zu oft ins Aus gespielt.

Fällt ein Fußballer, wird der Ball in der Folge zu oft ins Aus gespielt.

Foto: ap, mm

Es ist immer wieder das gleiche Schauspiel. Belangloser Zweikampf. Spieler XY lässt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Rasen fallen. Alle anderen blicken bedröppelt drein und spielen vorsichtshalber weiter, weil es auch so gar keine Anzeichen dafür gibt, dass es sich um eine schwerere Verletzung handeln könnte. Irgendwann fängt das Publikum an zu pfeifen. Weil es alle so gelernt haben, dass man gefälligst den Ball ins Aus spielt, wenn jemand verletzt ist. Also wird das Spiel auf diese Weise unterbrochen. Betreuer eilen zu Hilfe, als würde es sich um einen Noteinsatz handeln. Man wünscht sich nur, dass die Mutter oder Ehefrau des Opfers die schlimmen Bilder nicht mitverfolgen muss. Einfach schrecklich.

Doch siehe da! Ein Wunder! Sekunden, nachdem die eben noch total hilflose Person sich vor Schmerzen krümmte, steht sie wieder - auf eigenen Beinen, ohne gestützt zu werden. Nach ein paar munteren Gehversuchen sind sogar schon wieder Sprints möglich, als stünde ein Duell mit Usain Bolt im 100-Meter-Finale der Olympischen Spiele kurz bevor.

Der Grundgedanke ist natürlich ehrenwert. Eine Mannschaft bricht den Angriff ab, weil man einem angeschlagenen Gegenspieler helfen will. Doch in den allerseltensten Fällen ist das nötig. Denn viele Teams nutzen derartige Pausen mittlerweile als reines taktisches Mittel. Man kann so prima den Spielfluss des Gegners unterbrechen, über die Zuschauer Druck ausüben lassen. So wird der Fair-Play-Gedanke natürlich mit Füßen getreten.

Obendrein nervt es einfach kolossal, dass ständig jemand dazu aufgefordert wird, den Ball ins Aus zu spielen. Beim Handball zum Beispiel würde man ausgelacht, wenn man sich wegen einer klitzekleinen Blessur windet, als würde man in die Notaufnahme geliefert.

Der Einzige, der über eine Spielunterbrechung zu befinden hat, ist der Schiedsrichter. Er ist sogar dazu angehalten, gerade bei Zusammenstößen mit den Köpfen schnell einzugreifen. Das macht selbstverständlich Sinn, weil niemand seine Gesundheit aufs Spiel setzen sollte. Es ist töricht, sich halbbenommen aufs Feld zu schleppen. Der Schiedsrichter wird aber dazu gezwungen, sich mit einem Pseudo-Verletzten auseinanderzusetzen, wenn der Ball nicht mehr in der Partie ist.

Es macht keinen Sinn, gleich nach einer Regeländerung zu schreien und sich zu überlegen, wie man etwas am besten sanktionieren kann. Viel wirksamer wäre es, wenn das Publikum derartige Schauspielerei nicht auch noch mit Aufmerksamkeit bedenkt. Das Spiel sollte im Mittelpunkt stehen.

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(gic)
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